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       # taz.de -- Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Google muss Verweise löschen
       
       > Haben Menschen das Recht, dass Google veraltete Informationen vergisst?
       > Ja, sagt überraschend der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.
       
   IMG Bild: Nicht alle Verweise auf personenbezogene Daten darf Google zeigen.
       
       HAMBURG taz | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat faktisch ein „Recht
       auf Vergessenwerden“ im Internet eingeführt. In einem Fall aus Spanien hat
       er [1][entschieden], dass es Fälle geben kann, in denen der
       Suchmaschinenbetreiber Google bestimmte Links zu veralteten Informationen
       aus der Ergebnisliste löschen muss. Erforderlich ist aber ein Antrag des
       Betroffenen.
       
       Konkret geht es um einen Spanier, dessen Haus 1998 zwangsversteigert worden
       war. Diesen Vorgang machte die katalanische Tageszeitung La Vanguardia
       öffentlich bekannt. Das wäre heute längst vergessen, hätte die Zeitung
       nicht inzwischen ihre alten Ausgaben ins Internet gestellt. So stößt jeder,
       der den Namen des Mannes eingibt, auf die damalige Zwangsversteigerung.
       
       Die Zeitung weigerte sich, die Nachricht aus dem Internet zu entfernen,
       denn sie könne amtliche Bekanntmachnungen nicht nachträglich verändern.
       Dann forderte der Mann von Google, künftig Links auf die für ihn peinliche
       Seite der Zeitung zu unterlassen. Google Spanien hielt sich aber nicht für
       zuständig, weil die Suchmaschine in Kalifornien stehe. Erst bei der
       spanischen Datenschutzbehörde hatte der Mann Erfolg. Sie forderte Google
       auf, den Link zu entfernen – wogegen Google aber klagte. Das spanische
       nationale Obergericht legte den Fall beim EuGH in Luxemburg vor, weil das
       spanische Datenschutzrecht (wie das deutsche) im wesentlichen auf der
       EU-Datenschutz-Richtlinie von 1995 beruht.
       
       Der EuGH entschied nun, dass die Richtlinie auf Google anwendbar ist. Die
       Suchmaschine verarbeite auch dann Daten, wenn sie diese in den Auschnitten
       der Ergebnisliste unverändert wiedergebe. Auch euroäisches Recht sei
       anwendbar, obwohl die Google-Zentrale in Kalifornien sitze. Immerhin
       verkaufe die spanische Google-Niederlassung Werbung für die Suchmaschine,
       die deren Betrieb erst profitabel mache.
       
       ## Recht auf Privatsphäre hat Vorrang
       
       In der Sache gibt der EuGH Betroffenen einen Anspruch auf Löschung von
       Links aus der Ergebnisliste, wenn diese für die ursprünglichen Zwecke
       „nicht mehr erheblich“ sind. Das dürfte auch auf die Zwangsversteigerung
       des Spaniers zutreffen, da dieser seine Schulden inzwischen längst bezahlt
       hat.
       
       Grundsätzlich müssen die Interessen der Betroffenen zwar mit anderen
       Interessen abgewogen werden. Gegenüber den wirtschaftlichen Interessen von
       Google habe das Recht des Betroffenen auf Privatsphäre und Schutz der
       persönlichen Daten aber Vorrang.
       
       Auch gegenüber den Internetnutzern, die sich mit Hilfe der Suchmaschine
       informieren wollen, überwiege „im Allgemeinen“ das Recht der von den Links
       Betroffenen. Immerhin entstehe durch eine Suchliste ein „mehr oder weniger
       detailliertes Profil“ ihrer Persönlichkeit.
       
       Ausnahmen vom Löschungsanspruch soll es nur geben, wenn die Stellung des
       Betroffenen im öffentlichen Leben dies erfordern. Politiker und andere
       Promis können Jugendsünden also nicht so einfach aus Googles Suchlisten
       entfernen wie Normalbürger.
       
       Der EuGH sieht folgendes Verfahren vor: Wer einen veralteten Link aus der
       Suchliste löschen will, kann direkt einen Antrag an Google stellen. Wenn
       Google dem nicht nachkommt, kann der Betroffene eine Überprüfung durch die
       zuständige Datenschutzbehörde verlangen. In Deutschland ist dies der
       Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Wer auch hier keinen
       Erfolg hat, kann ein staatliches Gericht anrufen.
       
       Das Urteil kommt überraschend. Der unabhängige Generalanwalt am EuGH hatte
       empfohlen, keinen Löschungsanspruch vorzusehen. Google sei nicht
       verantwortlich für die Daten, zu denen es Nutzern Zugang verschaffe.
       Außerdem sei die Informationsfreiheit für demokratische Gesellschaften so
       wichtig, dass es Privaten – zumindest in der Regel – nicht erlaubt werden
       muss, den Zugang der Öffentlichkeit zu persönlich unangenehmen
       Informationen zu verhindern (Rechtssache C-131/12).
       
       13 May 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /fileadmin/static/pdf/2014-05-13_2014-05-13_cp140070de.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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