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       # taz.de -- Nationalhymne in Frankreich: Justizministerin singt nicht
       
       > Christiane Taubira ist gegen „Karaoke“ am Gedenktag zur Abschaffung der
       > Sklaverei. Die rechten Parteien geben sich empört und verlangen ihren
       > Rücktritt.
       
   IMG Bild: Die fahrradbegeisterte Ministerin Taubira mit Helm und Kusshand
       
       PARIS taz | Der französischen Justizministerin Christiane Taubira war es
       nicht zum Singen zumute, als Ende letzter Woche in Paris der Abschaffung
       der Sklaverei gedacht wurde. Als bei diesem offiziellen Anlass zum
       Abschluss die obligate Marseillaise angestimmt wurde, stand sie schweigend
       daneben.
       
       Das wird jetzt von rechten Oppositionspolitikern als Verweigerung und als
       unpatriotisches Verhalten ausgelegt. Indes steht nirgends in französischen
       Gesetzen, dass Regierungsmitglieder verpflichtet wären, bei jeder
       Gelegenheit die Nationalhymne zu grölen.
       
       Für den Pariser Lokalpolitiker Geoffroy Boulard von der konservativen UMP,
       der Taubiras Singboykott überhaupt erst bemerkt und dann die Polemik ins
       Rollen gebracht hat, ist die Ministerin schlicht „nicht würdig, unsere
       Nation und Verfassung zu repräsentieren“. In seinen intimsten patriotischen
       Gefühlen verletzt, forderte er Premierminister Manuel Valls auf, sie
       umgehend aus der Regierung zu entlassen. Applaus von rechts. Marine Le Pen
       wollte der UMP diesen Vorwand, sich als Hüterin der patriotischen
       Korrektheit aufzuspielen, nicht gönnen. Auch sie forderte umgehend im
       Fernsehen Taubiras Rücktritt wegen Mangel an Vaterlandsliebe.
       
       Taubira fand das eigentlich eher lächerlich. Dennoch verteidigte sie sich
       auf ihrer Facebook-Seite schlagfertig gegen diese neuerlichen Angriffe: „Es
       gibt Anlässe, zu denen ein stilles Gedenken eher angebracht ist als ein
       Karaokespektakel.“ Damit meinte sie den Gedenktag der Abschaffung der
       Sklaverei, der für sie als Französin aus einem Überseedepartement besonders
       wichtig ist. Die „Marseillaise“ als „Karaoke“? UMP-Parteichef Jean-François
       Copé glaubte, sich verhört zu haben, und bezeichnete sich als zutiefst
       „schockiert“. Es gebe „Dinge, die man als Regierungsmitglied nicht sagen
       darf.“
       
       ## Rassistische Angriffe
       
       Die aus Französisch-Guyana stammende Justizministerin ist eine der liebsten
       Zielscheiben der reaktionären Rechten. Das habe sie sich selbst
       zuzuschreiben, meinen diese Gegner. Sie haben sich auf die kleine und sehr
       resolute Frau aus dem Norden Südamerikas eingeschossen, seit diese die
       religiösen Familienfundamentalisten und Ultrakonservativen mit ihrem Gesetz
       zur Legalisierung der Homo-Ehe herausgefordert hatte. Außerdem lieferte sie
       den Sicherheitsfanatikern neuen Zündstoff, in dem sie einen Reformvorschlag
       für alternativen Strafvollzug ohne Knast machte.
       
       Für die Rassisten genügten schon ihre Herkunft und ihre Hautfarbe, um
       Vergleiche mit Affen zu anzustellen – ähnlich wie das gewisse Primaten bei
       Spielern in Fußballstadien tun. Natürlich dient auch diese jüngste Polemik
       dazu, nicht nur den Patriotismus, sondern indirekt auch die
       Staatszugehörigkeit dieser Politikerin aus Übersee infrage zustellen.
       
       Es fehlt nicht an Gründen, diese Nationalhymne zu boykottieren – vor allem
       wegen ihres aus dem Revolutionskrieg stammenden Liedtextes. Da werden die
       „Bürger zu den Waffen“ gerufen, damit „der Unreinen Blut unsere
       Ackerfurchen tränkt“. Dass sich gerade die Fremdenfeindlichen so ereifern,
       wird verständlich, wenn man andere Zeilen der Hymne kennt: „Was!
       Ausländische Kohorten würden über unsere Heime gebieten!“ Dass solche
       Ängste vor dem Fremden zur patriotischen Pflicht erklärt werden, hätte
       Taubira gerade noch gefehlt.
       
       12 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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