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       # taz.de -- Qualitätsjournalismus der Krautreporter: Kampagnenstart mit viel Pathos
       
       > Das Portal Krautreporter will „Geschichten hinter den Nachrichten“
       > anbieten. Dafür sollen aber erst einmal 900.000 Euro von den Lesern
       > eingeworben werden.
       
   IMG Bild: Lesen. Bald ganz anders, verspricht Krautreporter.
       
       Ein Dutzend Journalisten plant die Revolution. „Alles oder nichts“ heißt es
       jedenfalls in ihrem Videoclip, in dem so viel klebriges Pathos steckt, dass
       es davon nur so trieft. Die Uhr tickt dabei im Hintergrund. Dazu gibt’s
       Plattitüden am laufenden Band: „Ich liebe es, draußen zu sein und als
       Reporter durch die Welt zu streifen“; „Nenne eine Lüge eine Lüge, wenn es
       eine Lüge ist“; oder auch: „Journalismus, den ich mache, heißt, ich gehe
       dahin, wo es weh tut.“ Und natürlich wollen sie die „Geschichten hinter den
       Nachrichten“ liefern. Kurzum: Ihr Promo-Material ist vor allem eines –
       austauschbar.
       
       Diese Einfallslosigkeit ist schade, denn das Projekt weckt im Kern große
       Hoffnungen. Während der Journalismus im Digitalen nämlich nur allzu oft
       dort aufhört, wo es erst richtig spannend wird, wollen sie genau hier
       einsteigen. Der Plan: Unabhängigkeit vor allem vom Druck der Klicks, der
       sonst dazu führt, dass oft die Masse die eigentliche Klasse sticht und der
       belohnt wird, der möglichst schnell von einem Hype zum nächsten hüpft.
       
       Dafür soll nicht die Werbeindustrie mit ihren Tausender-Kontakt-Preisen die
       Inhalte finanzieren, sondern allein die Leser. [1][Die Krautreporter], wie
       das neue Portal heißen soll, versprechen grob fünf Geschichten pro Tag,
       alles werbefrei und das für fünf Euro pro Monat. Wer sich mit den Machern
       unterhält, erfährt: Nicht Vollständigkeit ist das Ziel, sondern Besonderes.
       Das Online-Magazin „Krautreporter“ will ein komplementäres Angebot sein,
       nach dem Motto: Nachrichten bringen doch eh’ alle – eine Falle.
       
       „Wenn wir zu einem Thema keinen eigenen Ansatz haben, lassen wir die Finger
       davon“, verspricht Sebastian Esser. Er hat einst Krautreporter gegründet,
       das bis zuletzt als Crowdfunding-Plattform diente und Medienmacher mit
       Geldgebern zusammenbrachte. Das hat überraschend häufig geklappt, wenn auch
       jeweils eher im kleinen Rahmen. Für die nächsten vier Wochen sammelt er nur
       noch für ein Großprojekt: sein neues Magazin.
       
       ## Vor allem Nachwuchs ist dabei
       
       Von Dienstag an sollen bis spätestens zum 13. Juni insgesamt 15.000
       Finanziers zusammenkommen, die sich für ein Jahr verpflichten und damit
       jeweils 60 Euro vorschießen. Denn erst wenn 900.000 Euro zusammen gekommen
       sind und er seinen Autoren Pauschalen von 2.000 Euro im Monat oder mehr
       bezahlen kann, will Esser überhaupt mit der Umsetzung beginnen. Die Autoren
       sollen dann übrigens einen Text pro Woche liefern – kein schlechtes
       Geschäft. Los gehen soll es dann im Herbst.
       
       Das Projekt erinnert dabei an ähnliches im Ausland, vor allem an [2][De
       Correspondent] in den Niederlanden oder – zumindest in Ansätzen – auch an
       [3][Mediapart] in Frankreich. In beiden Fällen, vor allem aber in Paris,
       konnten die Macher damit Punkten, dass äußerst etablierte politische
       Autoren für das Projekt standen. Das ist hier weitgehend anders.
       
       Krautreporter versammelt vor allem journalistischen Nachwuchs – Frauen wie
       Männer – und dazu einige Schreiber, die vor allem im Netz bekannt sind:
       Stefan Niggemeier (Medien), Jens Weinreich (Sport), Thomas Wiegold
       (Verteidigung), Richard Gutjahr (Digitales). Ob sie es schaffen, das große
       Publikum für sich zu gewinnen? Es wäre gewiss eine kleine Sensation – und
       wünschenswert allemal, weil es den Druck auf viele Verlage erhöhen würde,
       mehr in Recherche zu investieren und Autoren zu pflegen.
       
       Schwierig dürfte dabei allerdings werden, dass die Macher potenzielle
       Geldgeber weitgehend im Unklaren darüber lassen, wie ihr Portal aussehen
       soll – keine Skizzen, kein Bericht aus der Werkstatt. Und dann wollen die
       Krautreporter doch tatsächlich ihren Journalismus frei ins Netz stellen.
       Ja, ausgerechnet das Portal, das sich gegen die schlechte Finanzierung des
       digitalen Journalismus stemmen will, plant, im Netz die Kostenlosmentalität
       zu befeuern. Auf Reichweite wollen eben auch sie nicht verzichten.
       
       Krautreporter setzt vielmehr auf das Klub-Modell: Wer Mitglied wird, darf
       sich mit seinen Gleichgesinnten und vor allem mit den Autoren austauschen.
       Nur sie sollen die Beiträge etwa kommentieren können. Außerdem denken Esser
       und Co. über zusätzliche Inhalte nach – eBooks, Lesungen und andere
       Gimmicks. Wer Teil des Projekts wird, soll schließlich auch die Möglichkeit
       haben, in Recherchen einbezogen zu werden. „Wir wissen ja dann über die
       Datenbank, welches Mitglied wo lebt“, sagt Esser. „Wer möchte, kann dann
       von uns bei Bedarf gezielt angesprochen werden.“
       
       Freie Inhalte, nur die Extras kosten – diese Konstruktion erhöht die
       Spannung.
       
       12 May 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://krautreporter.de/
   DIR [2] http://decorrespondent.nl/
   DIR [3] http://www.mediapart.fr
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bouhs
       
       ## TAGS
       
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