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       # taz.de -- Berliner Demo für die Energiewende: Nicht gekentert
       
       > 10.000 Menschen protestieren gegen das Ausbremsen der Energiewende –
       > weniger als erhofft. Und auch die sind sich nicht in allen Fragen einig.
       
   IMG Bild: Merkel und Gabriel kommen ins Schwimmen: Protest-Floß auf der Spree vor dem Bundeskanzleramt
       
       BERLIN taz | Ihr erstes Ziel erreichen die Vorkämpfer für die Energiewende
       am Samstagmittag ohne Probleme: Über 100 Boote, die mit Fahnen und
       Transparenten geschmückt mitten im Regierungsviertel auf der Spree fahren,
       setzen die zentrale Forderung – „Energiewende nicht kentern lassen“ – gut
       ins Bild. Und kentern tut hier bei strahlendem Sonnenschein auch niemand.
       
       Die Energiewende sehen die Menschen, die aus ganz Deutschland zum
       Demonstrieren nach Berlin gekommen sind, hingegen in schwerem Fahrwasser:
       Die Bundesregierung will den Ausbau von Wind-, Solar- und
       Biomasse-Kraftwerken abbremsen; die entsprechende Novelle des
       Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die geringere Vergütungssätze für Wind und
       Biomasse und eine neue Abgabe für selbst verbrauchten Solarstrom vorsieht,
       ist diese Woche in den Bundestag eingebracht worden.
       
       Dagegen richtet sich auch der anschließende Protest an Land. „Zehntausende“
       Demonstranten hatte der Bundesverband Erneuerbare Energien als Unterstützer
       der Demo im Vorfeld angekündigt. Doch dieses Ziel wird nicht erreicht. Rund
       10.000 Menschen sind es nach taz-Zählung, die vorbei an Kanzleramt und
       Bundestag bis vor die CDU-Parteizentrale am Tiergarten ziehen. Die
       Veranstalter sprechen bei der Abschlusskundgebung, bei der neben mehreren
       Rednern auch die Bands Seeed und Revolverheld zu hören sind, von 12.000
       TeilnehmerInnen.
       
       Der Demozug ist bunt und laut: Neben unzähligen Fahnen von BUND, Campact
       und Ausgestrahlt finden sich viele selbst gemalte Plakate – gegen
       Braunkohle-Abbau, Fracking und Atomkraft, für Sonne, Wind und Biomasse.
       Neben Umweltverbänden, Bürgerinitativen und Grünen ist auch die Branche der
       erneuerbaren Energien stark vertreten: Windkraft-Hersteller aus
       Schleswig-Holstein sind dabei, Solar-Produzenten aus Hessen, und besonders
       zahlreich Unternehmer der Biogas-Branche, bei der die Regierung am
       stärksten kürzen will. „Biogas – wir können immer“ steht auf ihren Plakaten
       – als Hinweis darauf, dass Strom aus Biomasse im Gegensatz zu Wind- und
       Sonnenstrom jederzeit zur Verfügung steht.
       
       ## Dissens beim der Biomasse
       
       An dieser Frage zeigte sich aber auch, dass sich die DemonstrantInnen nicht
       in allen Fragen einig sind. Während vom Demo-Wagen der
       Erneuerbare-Energien-Branche lautstark für Strom aus Biomasse geworben
       wurde, sehen viele Umweltgruppen die Bioenergie kritisch. Denn bisher wird
       dafür vor allem Mais genutzt, der in Monokulturen angebaut wird, die viel
       Flächenverbrauch und wenig Artenvielfalt mit sich bringen. So kritisierte
       etwa der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger etwa lautstark die geplanten
       Einschnitte bei Wind- und Solarstrom, schwieg aber zum Thema Biomasse.
       
       Einig waren sich die DemonstrantInnen jedoch darin, was sie auf keinen Fall
       wollen: Ein Abbremsen der Energiewende und ein Festhalten an
       Kohlekraftwerken. „Die Verstromung von Kohle ist ein Verbrechen an Klima,
       Landschaft und Menschen“, rief Christoph Bautz vom Aktionsnetzwerk Campact
       unter großem Beifall. „Es muss endlich Schluss sein mit Klientelpolitik für
       Klimakiller und Landschaftsfresser.“
       
       Angesprochen fühlen durfte sich durch diese Kritik auch die Linkspartei,
       die auf der Demonstration mit einem eigenen Wagen unterwegs war, aber als
       Regierungspartei in Brandenburg genau jene Braunkohle-Politik mitträgt,
       gegen die in Berlin demonstriert wurde. Sie stand bei der Kundgebung ebenso
       in der Kritik wie die nordrhein-westfälische SPD, die ebenfalls weiter auf
       Braunkohle setzt.
       
       Auch der Gesetzentwurf von SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stieß auf
       scharfe Kritik. „Das ist nicht die Energiewende, für die die SPD viele
       Jahre gekämpft hat“, sagte Bautz und erinnerte an Vordenker wie den
       verstorbenen SPD-Solarvisionär Hermann Scheer. Der BUND-Vorstitzende Hubert
       Weiger setzt darauf, dass die Bundestagsabgeordneten Gabriels Pläne noch
       stoppen: „Das Parlament muss nachbessern und ein Gesetz verabschieden, das
       die Energiewende beschleunigt, anstatt sie abzuwürgen.“
       
       11 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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