# taz.de -- Berliner Szenen: Sogar Wim Wenders
> Im Historischen Hafen sind die Schiffe alt und die Verleger stolz. Besuch
> einer Lesung in einem Dampfer, der auch mal eine Heizung war.
IMG Bild: Hinter der Aurora: Schleppdampfer Andreas.
Renate Angelika riecht ein bisschen muffig, ist aber ansonsten sehr hübsch.
Ihr Name ist okay, er passt ganz gut in die Nachbarschaft. Die anderen
Schiffe hier heißen unter anderem „Horst“, „Gisela“, „Bärbel Marlies“,
„Hans Wilhelm“ und „Karl-Heinz“.
Wir sind im [1][Historischen Hafen Berlin], an der Fischerinsel, im
Ausstellungskahn „Renate Angelika“. Per Leo wird aus seinem Buch „Flut und
Boden“ lesen. Sein Verleger ist stolz auf das Buch, auf den Autor, auf die
Bauchmuskeln des Autors, ja, er wusste, dass das Buch ein großer Erfolg
wird, seit er Per Leo einmal dabei zugeguckt hat, wie er bei einer
Buchvorstellung seinen Pullover auszog und dabei aus Versehen das Hemd
hochrutschte.
„Siri ist nicht verfügbar“, sagt eine Stimme im Publikum, dann fängt Per
Leo an zu lesen, und er liest sehr schön. Er hat schon angekündigt, dass er
ein Vorlesepapa ist. Er kann Nazi- und Psychologinnenstimmen.
Hinterher werden wir durch das Schiff geführt, das nebenan steht, es heißt
„Andreas“, ist ein Schleppdampfer und das Flaggschiff der
Berlin-Brandenburgischen Schifffahrtsgesellschaft. Angetrunkene
Literaturkritiker wanken schmale Treppen hinunter. „Nichtraucher“ steht auf
einem Schild vor den Kajüten. „Guck mal“, sagt eine Frau zu ihrem Kollegen,
„du darfst hier nicht rein.“
Wir lernen, dass das Schiff kurz vor Kriegsende gebaut wurde, 1944. Dass
man es zwei Tage vorheizen muss, bis es fahren kann. Dass es andere Schiffe
auf der Elbe und Saale hin und her gezogen hat und dass man es in der DDR,
als man es als Dampfschiff nicht mehr brauchte, als Heizung benutzt hat.
Und dass Wim Wenders auf dem Schiff mal einen Film gedreht hat, nämlich „In
weiter Ferne, so nah“, und immer noch zahlendes Mitglied im Hafenverein
ist. M. findet irgendwo eine alte Tube Spezialgewinde-Dichtungspaste
„neo-fermit“, guckt sie lange an und freut sich.
9 May 2014
## LINKS
DIR [1] http://www.historischer-hafen-berlin.de/
## AUTOREN
DIR Margarete Stokowski
## TAGS
DIR Berliner Szenen
DIR Hafen
DIR Lesung
DIR Berliner Szenen
DIR Berliner Szenen
DIR Berliner Szenen
DIR Berliner Szenen
DIR Berliner Szenen
DIR Berliner Szenen
DIR Berliner Szenen
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Berliner Szenen: Guter Punkt
In eine Regionalbahn gehen immer mehr Leute rein als man denkt. Und mehr
als man will. Manche lutschen, manche stellen Fragen.
DIR Berliner Szenen: Go in, s’il vous plaît
Weltgewandtes, freundliches, effizient arbeitendes BVG-Personal begrüßt die
Ankommenden am Flughafen Tegel.
DIR Berliner Szenen: Ach, diese Lethargie
Auf der Bank, Teil 2: Europa ist ruiniert, findet der alte Mann auf der
Bank. Das war früher nicht so. Oder anders jedenfalls.
DIR Berliner Szenen: Was meinen Sie mit „Osten“?
Auf der Bank, Teil 1: Man bleibt nicht lange allein auf einer Bank in der
Sonne. Und man hört nicht nur Gutes.
DIR Berliner Szenen: Keine Seekühe mehr
Gar nicht so leicht, ein Babygeschenk zu kaufen in einer
durchgentrifizieren Gegend. Es gibt Plüschdöner und Biostrampler und zur
Erholung Süßkartoffeleis.
DIR Berliner Szenen: Shalom, Ostern
Der Frühling ist da, im Graefekiez wird dekoriert. Es gibt bunte Bänder wie
im letzten Jahr, dazu Rentierfelle, Gaddafi und Jesus.
DIR Berliner Szenen: Kaffee ohne E.
Unter der Hobrechtbrücke fahren die Ausflugsschiffe vorbei, eins, zwei,
drei, vier, fünf Stück. Dieses Mal sitze ich allein hier.
DIR Berliner Szenen: Keine Mark mehr
Vor dem Theater steht ein neues Haus und auch sonst ist alles verrückt.
Manche sind im falschen Theater, manche wollen ihr Rückgeld in Mark.