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       # taz.de -- Wahl in Südafrika: Lange Schlangen, wenig Hoffnung
       
       > Südafrika wählt – aber wie? Kann der regierende ANC seine Macht sichern?
       > Unterwegs im Township Alexandra im Norden Johannesburgs.
       
   IMG Bild: Lange Schlangen bei der Wahl im Township Alexandra in Johannesburg.
       
       JOHANNESBURG taz | Die Wahl in Südafrika verläuft friedlich. Menschen
       bringen viel Geduld mit, um in langen Schlangen an den Wahlstationen ihre
       Stimme für eine bessere Zukunft abzugeben. Im Township Alexandra im Norden
       Johannesburgs standen Wähler schon in den frühen Morgenstunden in
       Gemeindezentren, auf Schulhöfen oder auch in Kirchen an.
       
       Dicht an dicht haben sich einst Zuwanderer aus allen Provinzen des Landes
       in „Alex“ in Hütten oder kleinen Steinhäusern angesiedelt, um in „Egoli“ –
       der Stadt des Goldes – ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Doch für die
       meisten Einwohner in Alexandra hat sich in den 20 Jahren der Regierung des
       Afrikanischen Nationalkongresses nicht viel geändert.
       
       Die Straßenverkäufer haben an der Wahlstation in der 15. Avenue auf Kisten
       und Ständen ihre Waren aufgebaut: Maiskolben und gegrillte Wurst,
       Reisgebäck, Zigaretten und Kaffee – sie hoffen auf ein gutes Geschäft am
       Wahlfeiertag. In der Station haben nicht nur der regierende ANC, sondern
       auch die größte Oppositionspartei DA (Demokratische Allianz) und die vom
       ANC abgespaltene EFF (Ökonomische Freiheitskämfer) ihre Wahltische
       aufgebaut.
       
       Die 72-jährige Gloria Radebe winkt ab, sie hat nicht gewählt. „Die
       Politiker wollen unsere Stimme, wenn sie uns brauchen. Dann verschwinden
       sie“, sagt die alte Frau enttäuscht und verkauft Früchte und Süßigkeiten.
       Sie hat in der Vergangenheit ANC gewählt und bisher nichts von den
       versprochenen Verbesserungen erlebt. Noch immer wohnt sie in einer Hütte,
       die nach und nach mit weiteren Anbauten erweitert worden ist. Ihre Familie
       mit acht Kindern ist von sozialen Beihilfen der Regierung abhängig.
       
       ## „Wer auf den ANC hofft, wird ewig warten“
       
       Arbeitslosigkeit, schlechte sanitäre Einrichtungen und verfallende
       Behausungen gehören zu den größten Problemen in diesem ältesten Township
       Südafrikas. Nelson Mandela lebte hier, nachdem er als junger Mann in die
       Großstadt gekommen war. Nur zwei Kilometer Luftlinie entfernt befindet sich
       in Sandton City Südafrikas reichstes und exklusivstes Einkaufzentrum. Für
       viele Einwohner von Alex bleibt es unerreichbar.
       
       Wendy Khumalo hat sich entschieden: Sie lebt in einer Einraum-Steinhütte
       seit fast 20 Jahren. Die 41-jährige Frau will nicht mehr auf das vom ANC
       versprochene Haus warten – sie hat einen Kredit aufgenommen und zieht in
       die neue Siedlung Kosmos mit Billighäusern, weitab von der Stadt. Sie zählt
       zu denen, die endlich einen Job in der Innenstadt hat und wird ihr Haus auf
       Lebensende abzahlen.
       
       „Wer auf den ANC hofft, wird ewig warten“, sagt sie. „Man muss selbst für
       sich sorgen.“ Der ANC hat viel erreicht seit der Apartheid, sagt sie.
       „Elektrizität, Wasseranschlüsse und mehr. Aber jetzt sorgen sie nur für
       sich selbst“, meint sie lachend und zählt die Korruptionsskandale der
       Regierungspartei auf. Sie hat lange mit sich gerungen und wird dieses Mal
       DA wählen. Das fühle sich zwar komisch an, eine ursprünglich weiße Partei
       zu wählen. „Aber der ANC soll spüren, dass wir unzufrieden sind.“
       
       ## Was wählt die junge Generation?
       
       Die EFF sei keine Alternative. „Niemals. Malema ist nicht ernstzunehmen,
       der will nur vom Lebenstil eines Politikers profitieren“, ruft sie
       kopfschüttelnd. EFF-Führer Julius Malema war als ANC-Jugendligaführer vom
       ANC wegen mangelnder Parteidisziplin gefeuert worden. Doch es finden sich
       viele in Alex, die sich mit seinen antikapitalistischen Parolen
       identifizieren und deshalb EFF wählen werden.
       
       Khumalos Tochter Retabile ist inzwischen zu einer „born-free“
       herangewachsen und studiert an der Fernuni Unisa in Pretoria. Das ist die
       junge Generation in Südafrika, die erstmals wählen darf, die das Parlament
       neu bestimmt und mit der Mehrheitspartei den Präsidenten des Landes stellt.
       
       „Viele von meinen Freunden gehen nicht zur Wahl, wir wissen gar nicht so
       recht, für wen wir stimmen sollen“, sagt die 19jährige. Aber sie hat sich
       ebenfalls für die DA entschieden. „Es ist wichtig, für einen Wandel etwas
       zu tun. Also versuche ich es mit dieser Partei, denn der ANC hat
       nachgelassen.“ Sie hat eine kleine dreijährige Tochter, der es besser gehen
       soll im neuen Südafrika.
       
       7 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martina Schwikowski
       
       ## TAGS
       
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