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       # taz.de -- Flüchtlingspolitik in Israel: Weder Asyl noch Abschiebung
       
       > Immer mehr afrikanische Flüchtlinge verlassen das Land freiwillig.
       > Andernfalls droht ihnen das Gefängnis. Klare Asylverfahren gibt es für
       > sie nicht.
       
   IMG Bild: Protest am Lager Cholot.
       
       JERUSALEM taz | Die Zahl der afrikanischen Flüchtlinge, die freiwillig
       Israel verlassen, nimmt dramatisch zu. Zählten die Behörden im November nur
       63 Rückkehrwillige, so stieg die Zahl im Januar auf 765, im Februar auf
       1.700, und im März verließen rund 1.500 Flüchtlinge freiwillig das Land.
       Damit ist nach Ansicht von Innenminister Gideon Saar bewiesen, dass die
       „Infiltranten“, so die offizielle Bezeichnung, „aus wirtschaftlichen
       Beweggründen kommen und die Mehrheit in ihren Heimatländern keiner Gefahr
       ausgesetzt ist“. Dementgegen führt die Initiative Entwicklungszentrum für
       afrikanische Flüchtlinge (ARDC) in Tel Aviv die zunehmende
       Rückkehrbereitschaft auf Israels Maßnahmen zurück, die Flüchtlinge gezielt
       zu vergraulen.
       
       Bei Protesten zu Jahresbeginn forderten die Flüchtlinge vergebens die
       Entlassung ihrer Leidensgenossen, die in dem Gefängnis Saharonim oder dem
       „offenen“ Haftlager Cholot festgehalten werden, und klare Asylverfahren.
       Derzeit werden die Flüchtlinge nicht anerkannt und haben keinen Anspruch
       auf Gesundheitsversorgung, Schulbesuch und Unterkunft. Gleichzeitig darf
       Israel die Sudanesen und Eriträer nicht abschieben.
       
       „Israel stellt die Flüchtlinge vor die Wahl“, erklärt Elischewa Milikowski
       vom ARDC, „entweder sie gehen ins Gefängnis oder kehren nach Hause zurück.“
       Ziel des Innenministeriums sei, langfristig „alle Flüchtlinge in den
       Haftlagern festzuhalten“, bis sich die Lage in ihren Heimatländern beruhigt
       und sie zurückgeschickt werden können. Die Afrikaner seien „permanent der
       Angst vor dem Gefängnis ausgesetzt“, meint Milikowski, deshalb entschieden
       sich immer mehr für das riskante Zuhause.
       
       In den beiden Haftlagern ist Platz für nur 6.000 Menschen. Die Gesamtzahl
       der afrikanischen Flüchtlinge in Israel reicht fast an das Zehnfache. In
       der „offenen“ Anstalt Cholot, die Israel aufgrund einer
       Gerichtsentscheidung gegen das Gefängnis Saharonim einrichten ließ, ist
       dreimal am Tag Appell. Wer ihn versäumt, kann sofort nach Saharonim verlegt
       werden. Anfang April kam es vor dem Obersten Gerichtshof zur Anhörung einer
       Petition mehrerer Menschenrechtsorganisationen auch gegen Holot. Die
       Entscheidung steht noch aus.
       
       ## Israels Innenministerium in Kritik
       
       Anat Ovadia, Sprecherin der Hotline for Refugees and Migrant Workers, die
       zu den Petitionären gehört, kritisiert die Praxis des Innenministeriums,
       die Flüchtlinge zu verängstigen, damit sie einer Ausreise zustimmen. „Wir
       wissen nicht, was mit den Menschen in Uganda oder Ruanda passiert“, sagt
       Ovadia. In den Drittländern haben sie auch keinen geregelten Status und
       kein Aufenthaltsrecht. Viele landen wieder in Haft.
       
       Selbst wer ein Visum hat, darf nicht arbeiten, wobei die Polizei oft ein
       Auge zudrückt. Der 30-jährige Silab Bangola aus Guinea verlor seine Stelle,
       nachdem die Behörden seinem Arbeitgeber mit Bußgeld drohten. Nun ist
       Bangola gezwungen, wieder im Levinski-Park nahe dem zentralen Tel Aviver
       Busbahnhof zu schlafen. „Mir reicht es“, sagt der junge Mann erschöpft.
       „Ich kann mich selbst nicht mehr ernähren und die Polizei verfolgt mich.“
       Obwohl der Gedanke an die Heimat düstere Erinnerungen weckt, ist er „schon
       fast entschlossen, freiwillig zu gehen“.
       
       5 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
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