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       # taz.de -- Sachbuch „Der NSA-Komplex“: Goldenes Zeitalter
       
       > Marcel Rosenbach und Holger Stark hatten Einblick in Snowdens Unterlagen.
       > Sie schildern in „Der NSA-Komplex“ die Instrumente des US-Geheimdienstes.
       
   IMG Bild: Während die NSA nur Verbindungsdaten speichert, prüfen die Engländer sogar den Inhalt von E-Mails und Telefonaten
       
       Die National Security Agency ist der größte Geheimdienst der westlichen
       Welt. Für die NSA arbeiten 40.000 Mitarbeiter und sie verfügt über einem
       Jahresetat von 10,6 Mrd. Dollar. Dank Edward Snowden und seiner Unterlagen
       wissen wir nun, dass sie nicht weniger anstrebt als „die globale
       Informationsherrschaft“. Doch was macht die NSA konkret? Wer wird mit
       welchen Methoden überwacht?
       
       Für alle, die in der Fülle der Enthüllungen den Überblick verloren haben,
       gibt jetzt das Buch „Der NSA-Komplex“ einen Überblick. Die Spiegel-Autoren
       Marcel Rosenbach und Holger Stark gehören zu den wenigen Journalisten, die
       Einblick in Snowdens Unterlagen hatten.
       
       Die NSA ist ein Geheimdienst, der mit zunehmender Digitalisierung aller
       Lebensbereiche immer wichtiger wurde. So hat die NSA beim Programm „Prism“
       Zugriff auf die Rechner von Internet-Firmen wie Facebook und Google. Mit
       den „Special Sources Operations“ greift die NSA direkt auf Datenkabel zu.
       Hinter den „Taylored Access Operations“ verbergen sich Hacker, die sich
       maßgeschneiderten Zugang zu speziell gesicherten Rechnern verschaffen.
       Intern sprechen die Geheimdienstler schon vom „goldenen Zeitalter der
       Überwachung“.
       
       Jede neue App, die auf den Markt kommt, kann von der NSA als Datenlieferant
       missbraucht werden. Viele Geräte und Angebote sollen sogar mit
       ausdrücklichen „Hintertüren“ für die NSA ausgestattet sein. Selbst
       Verschlüsselungsprogramme wurden von der NSA gezielt manipuliert und damit
       in ihrer Wirkung geschwächt.
       
       Auch die Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten, vor allem dem
       englischen Pendant GCHQ, erweitert die Möglichkeiten der NSA. Während die
       NSA nur Verbindungsdaten speichert, prüfen die Engländer mit dem Programm
       Tempora sogar den Inhalt von E-Mails und Telefonaten.
       
       Auf- und ausgebaut wurde dieses gewaltige Instrumentarium vor allem nach
       den Al-Qaida-Anschlägen von 2001. Doch nur 35 Prozent der Ressourcen gehen
       tatsächlich in die Terrorabwehr. Und auch dort soll der Nutzen laut einer
       unabhängigen Untersuchung eher gering sein. Ein Großteil der Aktivitäten
       richtet sich gegen andere Staaten und internationale Organisationen, ist
       also klassische Spionage. Snowden sagt, auch Wirtschaftsspionage sei eine
       Aufgabe der NSA, konkrete Beispiele finden sich im Buch aber nicht.
       
       ## „Die Freunde der Freunde der Freunde“
       
       Die Liste der auszuspähenden Ziele umfasst angeblich rund eine Million
       Namen weltweit. Das ist viel, aber noch keine global flächendeckende
       Überwachung. Allerdings können pro Zielperson auch „die Freunde der Freunde
       der Freunde“ überprüft werden. Das sind pro Zielperson (bei
       durchschnittlich 190 Facebook-Freunden) schnell rund fünf Millionen weitere
       Personen. Laut Snowden kann auch jeder NSA-Analyst einen neuen Namen auf
       die Zielliste setzen. Angestrebt ist, dass Auswertungsprogramme
       selbstständig Verdächtige identifizieren, wenn diese sich im Internet
       auffällig verhalten.
       
       Und Deutschland? Dass die Kanzlerin als Spionageziel überwacht wurde, ist
       bekannt. Dass die Briten den interkontinentalen deutschen Telefon- und
       Mailverkehr im Kabel TAT-14 anzapfen, sollte man seit letztem Sommer auch
       wissen. Bisher unbekannt war aber, dass ein US-Sondergericht im März 2013
       die NSA autorisierte, „Deutschland zu überwachen“. Was das konkret heißt,
       wissen Rosenbach/Stark allerdings nicht. Überhaupt geht das Buch nur selten
       über das hinaus, was auch schon im Spiegel stand. Nützlich ist die
       Zusammenstellung dennoch.
       
       Rosenbach/Stark konstatieren den „Totalverlust der Privatsphäre“ und sehen
       die Meinungsfreiheit und die freiheitliche Demokratie in Gefahr.
       Bemerkenswert ist aber, dass es nach wie vor kaum Erkenntnisse über einen
       Missbrauch der Daten gibt, zum Beispiel als Material gegen innenpolitische
       Gegner. Man mag es kaum glauben, schließlich haben US-Geheimdienste in
       dieser Hinsicht ja eine unrühmliche Tradition. Wenn die NSA ihr
       Hacker-Potenzial dagegen nutzt, um iranische Uran-Zentrifugen zu
       manipulieren, kann man sogar klammheimliche Freude empfinden.
       
       Der Mangel an echten Missbrauchsbelegen erklärt, warum die große Empörung
       über die NSA-Sammelgier bisher kaum zu politischem Widerstand führt. Aber
       es ist ja erst ein Zehntel von Snowdens Dokumenten ausgewertet. Und bald
       erscheint das Buch von Glen Greenwald, dem Journalisten, dem Snowden am
       meisten Material anvertraut hat.
       
       3 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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