URI: 
       # taz.de -- Berliner Szenen: Shalom, Ostern
       
       > Der Frühling ist da, im Graefekiez wird dekoriert. Es gibt bunte Bänder
       > wie im letzten Jahr, dazu Rentierfelle, Gaddafi und Jesus.
       
   IMG Bild: Frühlingsdeko, natürlich.
       
       Im Graefekiez hängt wieder Frühlingsdeko, schon seit ein paar Wochen. Bunte
       Bänder an den Bäumen und an den Geschäften. Letztes Jahr gab es das auch,
       da sah es ganz jämmerlich aus, weil der Frühling nicht kommen wollte, und
       die Bänder flatterten im Schneeregen, es wirkte alles nicht sehr lässig.
       Dieses Jahr sieht es auch nicht lässig aus, eher etwas albern, so im Sinne
       von Bullerbü. Passt aber auch.
       
       Wenn man durch die Straßen läuft, fahren einem Kinder von hinten in die
       Hacken, mit kleinen, neuen Holzlaufrädern, die sie vielleicht zu Ostern
       bekommen haben oder vielleicht einfach so. Die Eltern laufen irgendwo
       dahinter und rufen: „Nicht so schnell, Emma!“
       
       Der neue „Vintage Cookware“-Shop hat Stühle rausgestellt und Tierfelle
       draufgelegt. Das eine sieht aus wie ein Rentierfell. Vielleicht soll es
       auch ein Frühlingssymbol sein.
       
       Die Apotheke, die neben der Buchhandlung war, hat irgendwann zwischen
       Frühlingsanfang und Ostern geschlossen. Zur Schließung gab es eine ganz
       besondere Frühlingsdeko, inzwischen ist sie weg, vielleicht war sie doch
       ein bisschen zu speziell. Zwei oder drei bunte Plastikblüten lagen im
       Schaufenster rum, und darüber ein Zettel, der erklärte, dass der
       Apothekenbetrieb endgültig eingestellt ist.
       
       Drum herum, auf die Scheiben verteilt, hingen auf DIN-A4-Seiten
       ausgedruckte Porträts: Che Guevara, Jassir Arafat, John F. Kennedy, Saddam
       Hussein, Ariel Scharon, Gaddafi, Ahmadinedschad. Und noch andere, wie
       Jürgen Möllemann und Jesus. Dazu eine kleine „Karte der Okkupation
       Palästinas“, dahinter die „Morgens Aronal, abends Elmex“-Werbung.
       
       Ein paar Leute fotografierten die Schaufenster, manche schüttelten den
       Kopf, manche guckten nur. Kurz vor Ostern klebte jemand Packpapier von
       außen über die Bilder und schrieb darauf: „Shalom“, „Frohe Ostern“ und
       „Frühling Hurra“.
       
       1 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Margarete Stokowski
       
       ## TAGS
       
   DIR Berliner Szenen
   DIR Berliner Szenen
   DIR Berliner Szenen
   DIR Berliner Szenen
   DIR Berliner Szenen
   DIR Berliner Szenen
   DIR ICC
   DIR Berliner Szenen
   DIR Berliner Szenen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berliner Szenen: Ach, diese Lethargie
       
       Auf der Bank, Teil 2: Europa ist ruiniert, findet der alte Mann auf der
       Bank. Das war früher nicht so. Oder anders jedenfalls.
       
   DIR Berliner Szenen: Was meinen Sie mit „Osten“?
       
       Auf der Bank, Teil 1: Man bleibt nicht lange allein auf einer Bank in der
       Sonne. Und man hört nicht nur Gutes.
       
   DIR Berliner Szenen: Sogar Wim Wenders
       
       Im Historischen Hafen sind die Schiffe alt und die Verleger stolz. Besuch
       einer Lesung in einem Dampfer, der auch mal eine Heizung war.
       
   DIR Berliner Szenen: Keine Seekühe mehr
       
       Gar nicht so leicht, ein Babygeschenk zu kaufen in einer
       durchgentrifizieren Gegend. Es gibt Plüschdöner und Biostrampler und zur
       Erholung Süßkartoffeleis.
       
   DIR Berliner Szenen: Kaffee ohne E.
       
       Unter der Hobrechtbrücke fahren die Ausflugsschiffe vorbei, eins, zwei,
       drei, vier, fünf Stück. Dieses Mal sitze ich allein hier.
       
   DIR Berliner Szenen: Keine Mark mehr
       
       Vor dem Theater steht ein neues Haus und auch sonst ist alles verrückt.
       Manche sind im falschen Theater, manche wollen ihr Rückgeld in Mark.
       
   DIR Berliner Szenen: Und schließlich die komplett Irren
       
       Die allerletzte Veranstaltung im ICC ist eine perfekte
       Wahnsinnsinszenierung deutscher Konzernkultur: Die Jahreshauptversammlung
       der Daimler AG.
       
   DIR Berliner Szenen: Grab des Winters
       
       Mit Madonna in der U8, der Polizei am Alexanderplatz und Vater am Telefon.
       
   DIR Berliner Szenen: Jetzt auch egal
       
       Es ist Monatsende, das Geld ist knapp. Es wird geseufzt und gerechnet und
       „oh“ und „ah“ gemacht. Manchmal wird geweint.