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       # taz.de -- 10 Jahre EU-Osterweiterung: Erfolg mit Macken
       
       > Zehn Jahre nach der bisher größten EU-Erweiterung fällt die Bilanz
       > gemischt aus. Die Europäische Union ist heute ärmer denn je – aber auch
       > attraktiver.
       
   IMG Bild: So war's vor zehn Jahren: Junge Tschechinnen bejubeln den bevorstehenden EU-Beitritt ihres Landes in der Altstadt von Prag.
       
       BRÜSSEL taz | Arm, aber sexy – diesen Berlin-Werbespruch Klaus Wowereits
       könnten sich heute auch die EU-Politiker auf ihre Fahnen schreiben. Zehn
       Jahre nach dem Beitritt von zehn süd- und osteuropäischen Ländern (siehe
       Karte) ist die Europäische Union heute ärmer denn je – aber zugleich auch
       attraktiver.
       
       Mittlerweile klopfen Montenegro, Serbien und Mazedonien an die Tür des
       europäischen Clubs, andere Länder wie die Türkei, die Schweiz oder die
       Ukraine könnten später folgen. Und das, obwohl das EU-Budget
       zusammengestrichen wurde und immer weniger Geld für immer mehr und immer
       ärmere Neumitglieder bereitsteht.
       
       Offenbar ist die Erweiterung weiter die erfolgreichste europäische
       Außenpolitik – anders ist kaum zu erklären, warum so viele Staaten
       EU-Mitglied werden möchten. Fast alle Nachbarn wollen rein, nur Island hat
       seinen Antrag vorläufig zurückgezogen. Dabei ist die Erweiterungspolitik
       beileibe keine ungetrübte Erfolgsgeschichte.
       
       Als der damalige EU-Kommissar Günter Verheugen am 1. Mai 2004 am Ziel war
       und die EU auf einen Schlag von 15 auf 25 Mitgliedsländer anwuchs, da sahen
       das viele in der „alten“ EU mit gemischten Gefühlen. Der deutsche
       Außenminister Joschka Fischer war der Erste, der vor sinkendem Wohlstand
       und wachsenden Problemen warnte.
       
       Viele in der alten EU zweifelten daran, dass sich die Union mit 25
       Mitgliedern noch vernünftig regieren lassen würde. Vor allem die armen
       Neumitglieder in Osteuropa, die den Beitritt wie in Valetta mit
       Freudenfeiern feierten, bereiteten dem Grünen-Politiker Sorgen. Sie könnten
       den bisher so exklusiven Club der 15 durcheinanderwirbeln und
       Entscheidungen blockieren, so die Sorge.
       
       ## Der erste Rückschlag kam aus dem Westen
       
       Doch der erste große Rückschlag kam nicht aus dem Osten, sondern aus dem
       Westen: Franzosen und Niederländer stimmten 2005 gegen den neuen
       EU-Verfassungsvertrag – indirekt auch gegen das neue, größere Europa. In
       beiden Ländern spielte die Furcht vor osteuropäischen Wanderarbeitern eine
       wichtige Rolle – der „plombier polonais“, der polnische Klempner, ist
       mittlerweile in die europäische Geschichte eingegangen.
       
       Es folgte eine Denkpause, in der die EU den schweren „Erweiterungsblues“
       verarbeiten musste. Während dieser Prozess im Westen immer noch nicht ganz
       abgeschossen ist – man denke nur an die Vorurteile gegen „Armutsmigranten“
       aus Bulgarien und Rumänien –, haben sich die neuen EU-Bürger aus dem Osten
       erstaunlich gut integriert.
       
       Den meisten Beitrittsländern geht es heute besser als vor zehn Jahren, auch
       wenn ihnen niemand „blühende Landschaften“ versprochen hat. Polen ist sogar
       in den Führungskreis der EU aufgestiegen, auch die baltischen Staaten
       finden Anerkennung. Allerdings gibt es auch Verlierer. Zypern ist im Zuge
       der Eurokrise abgestürzt, Slowenien schrammte nur knapp an der Pleite
       vorbei, und Ungarn ist unter Premier Orbán vom Pfad der demokratischen
       Tugend abgekommen.
       
       Dennoch zieht die EU-Kommission eine uneingeschränkt positive Bilanz. „Ein
       geeintes, offenes und stärkeres Europa“ habe man unter seiner Führung seit
       2004 geschaffen, brüstet sich Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
       Irgendwie klingt Klaus Wowereit dann doch glaubwürdiger.
       
       30 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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