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       # taz.de -- Buch über Edward Snowden: Der Mann, der aus dem Internet kam
       
       > Der „Guardian“-Reporter Luke Harding erzählt die Geschichte Edward
       > Snowdens als eine Mischung aus Agententhriller und Analyse.
       
   IMG Bild: Jetzt hat Edward Snowden auch noch Denkmal in Buchform.
       
       Es ist kein besonders sympathischer Typ, der da auf dieser Technik-Seite
       mit anderen Nerds diskutiert. Er liebt seine Pistole, eine Walther P-22.
       Arbeitslosigkeit hält er für eine Korrekturfunktion des Kapitalismus. Als
       die USA 2003 im Irak einmarschieren, klingt er begeistert. Andere, die mit
       ihm auf der Website Ars Technica diskutieren, bezeichnet er auch mal als
       „beschissene Minderbemittelte“.
       
       Edward Snowden selbst nennt sich in diesen Jahren „TheTrueHooHa“. Ein
       konservativer junger Mann, der Computerspiele mag, Manga-Comics und Kung
       Fu, der sich gern streitet und das Internet auch als Tagebuch nutzt. Der
       sich im Laufe der Jahre aber auch immer mehr Sorgen macht wegen dieses
       „blinden Gehorsams“, den die Menschen in den USA gegenüber den
       Geheimdiensten entwickelt haben.
       
       Irgendwann beschließt er, seine Macht als Systemadministrator für die NSA
       zu nutzen, und kopiert massenweise Dokumente, die das System der
       Geheimdienstüberwachung offenbaren. Der Rest ist bekannt.
       
       NSA, GCHQ, Prism, Tempora, die Meereskabel in Großbritannien, das
       Smartphone der Kanzlerin. Ein halbes Jahr lang formen Guardian, Spiegel,
       Washington Post oder New York Times aus dem Geheimdienstarchiv des Edward
       Snowden Weltschlagzeilen. Von heute aus betrachtet wirkt das alles logisch
       und schlüssig. Eine Geschichte, so gradlinig wie der Plot eines
       Agententhrillers.
       
       ## Greenwald ignorierte Snowdens Mails
       
       Dabei, das zeigt Guardian-Reporter Luke Harding in seinem neuesten Buch,
       [1][„Edward Snowden. Geschichte einer Weltaffäre“], hätte alles ganz anders
       kommen können. Immer wieder.
       
       Es begann ja schon damit, dass Glenn Greenwald, damals ein Kolumnist des
       Guardian, heute beim neuen Online-Magazin The Intercept einer der
       wichtigsten Hüter von Snowdens Material, auf die ersten Mails dieses Edward
       Snowden kaum reagierte. Der Mann, der sich als „hochrangiger
       Geheimdienstmitarbeiter“ ausgab, wollte, dass der ehemalige Anwalt
       Greenwald ein Verschlüsselungsprogramm installierte. Obwohl Snowden sogar
       eigens für ihn ein Lehrvideo anfertigte, bekam Greenwald es einfach nicht
       hin.
       
       Erst als Snowden die Dokumentarfilmerin Laura Poitras, die mit
       Verschlüsselungstechniken mehr Erfahrung hatte, mit einem ersten Dokument
       überzeugt hatte, flogen Greenwald, Poitras und ein Kollege des Guardian
       nach Hongkong. Snowden hatte sich Greenwald und Poitras genau ausgesucht.
       Sie sammelten mit ihren jeweiligen Mitteln aber einer ähnlichen Akribie,
       wie er Fakten über den Überwachungsstaat der USA. Und sie hatten beide
       genug Wut, um nicht so kühl mit den Skandalen umzugehen wie die New York
       Times, die Snowden dafür hasste.
       
       Luke Harding war Guardian-Korrespondent in Putins Russland, hat ein Buch
       namens „Mafiastaat“ darüber geschrieben und eines über „Wikileaks. Julian
       Assanges Krieg gegen Geheimhaltung“. Die Story Snowdens und seiner
       journalistischen Mitstreiter erzählt er als einen Strang in den großen
       Linien der Weltpolitik.
       
       Er schildert nicht nur die Systeme der Überwachung in den USA,
       Großbritannien – aber auch Russland –, sondern auch solche des
       Journalismus. Die Pressefreiheit gilt in den USA deutlich mehr als in
       Großbritannien, sodass der Guardian – weil die Regierung droht, ihn zu
       schließen – seine Enthüllungen irgendwann nicht mehr von London aus
       publizieren kann. Die britische Zeitung muss neue Stücke zu Snowdens
       Material in der eigenen US-Ausgabe abdrucken und mit der New York Times
       kooperieren.
       
       ## Propaganda für Putin
       
       Der Guardian ist gerade für seine NSA-Berichterstattung mit dem
       Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden, und die Geschichte dieser Weltaffäre
       zeigt, was die Pressefreiheit in den USA immer noch bewirken kann. Auch
       wenn die wichtigsten Presseinstitutionen wie die New York Times
       Enthüllungen, die die nationale Sicherheit betreffen, manchmal mit der
       Regierung abstimmen – die sie doch mit der Enthüllung kontrollieren wollen.
       
       Luke Harding erzählt seine Recherchen streckenweise wie einen Thriller.
       Snowden wirkt dabei nicht immer besonders sympathisch, aber wie ein
       integrer Typ, der versucht, zwar Geheimnisse, aber nie sein Land zu
       verraten. Er hätte ja auch einfach alles an Wikileaks geben können, wo man
       manchmal weniger intensiv abwägt, welcher Schaden einem Staat aus einer
       Veröffentlichung entstehen könnte als etwa beim Guardian. 
       
       Zu diesem Snowden will seine derzeit wohl recht unautonome Lebensweise in
       Russland nicht recht passen. Das hat sein Auftritt bei einer Propagandashow
       Putins gezeigt, für den er schwer kritisiert wurde.
       
       Es gibt in Hardings Buch eine Schlüsselszene, in der Snowden wohl begriff,
       worauf er sich wirklich eingelassen hatte. Als er in Hongkong saß und
       längst klar war, dass er seine Zukunft nicht mehr selbst bestimmen würde,
       plante er mit dem Anwalt Albert Ho bei Pizza, Chicken Wings und Pepsi die
       nächsten Schritte. Er hatte Ho dafür – verkleidet mit Hut und Sonnenbrille
       – in einem Auto abgeholt.Würde China ihn von Hongkong aus an die USA
       ausliefern? Vielleicht nicht, er würde jedenfalls ins Gefängnis müssen,
       während die Gerichte darüber entschieden. Klar, damit hatte er gerechnet.
       
       Aber: ohne Computer, ohne Internet. Da sei Snowden, der in seinem Leben
       viel Zeit allein in kleinen Zimmern verbracht hatte, entsetzt gewesen,
       erzählte Ho später.
       
       27 Apr 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.weltkiosk.net/edward-snowden
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Gernert
       
       ## TAGS
       
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