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       # taz.de -- Konflikt in der Ukraine: „Zündelnde Rhetorik“
       
       > Russland und die USA bezichtigen sich gegenseitig der Lüge und Fälschung.
       > Und Kiew meldet, Sicherheitskräfte hätten eine Kleinstadt von
       > prorussischen Kräften befreit.
       
   IMG Bild: Prorussische Demonstrantin in Donezk.
       
       KIEW/MOSKAU/BRÜSSEL afp/dpa | In der Ukraine-Krise haben Russland und der
       Westen erneut den Ton verschärft. Nachdem Moskau indirekt mit einer
       Militäraktion im Nachbarland gedroht hatte, warf die NATO der Kreml-Führung
       am Mittwochabend „zündelnde Rhetorik“ vor. Die USA nannten russische
       Vorwürfe „lächerlich“, wonach sie hinter dem Vormarsch ukrainischer Truppen
       im Osten des Landes stehen. Moskau wiederum bezichtigte Washington der
       „Fälschung“ von Fotos aus dem Konfliktgebiet.
       
       „Ich bin besorgt über die russischen Erklärungen, die der Ukraine mit einer
       Militäraktion drohen“, sagte NATO-Vize-Generalsekretär Alexander Vershbow
       in Brüssel. „Russland hat die Verantwortung, die Situation zu beruhigen
       statt sich einer zündelnden Rhetorik zu bedienen.“ Vershbow reagierte auf
       Äußerungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der im Falle einer
       Verletzung russischer Interessen in der Ukraine mit einer „Antwort“ gedroht
       hatte. Lawrow verwies dabei ausdrücklich auf den Georgien-Krieg von 2008.
       
       Würden „die Interessen der Russen angegriffen, so wie es in Süd-Ossetien
       war“, sehe er keine Alternative zu einer „Antwort“, sagte Lawrow am
       Mittwoch. Um die abtrünnige Kaukasusregion Süd-Ossetien hatten Russland und
       Georgien im Sommer 2008 einen kurzen Krieg geführt. In der Folge erkannte
       Russland das Gebiet sowie die ebenfalls von Georgien abtrünnige Region
       Abchasien als unabhängig an.
       
       ## „Wir brauchen Gefangene"
       
       Im Osten der Ukraine fordern prorussische Aktivisten eine Loslösung
       beziehungsweise stärkere Autonomie von Kiew. In mehreren Städten haben sie
       Verwaltungsgebäude besetzt. Am Dienstag hatte die ukrainische Regierung die
       Wiederaufnahme eines „Anti-Terror-Einsatzes“ der Sicherheitskräfte in der
       Region angeordnet.
       
       Bei dem Einsatz wurde am Mittwoch nach Angaben des ukrainischen
       Innenministeriums die von prorussischen Kräften kontrollierte Stadt
       Swjatogorsk „befreit“. Nun würden Patrouillen der regulären
       Sicherheitskräfte des Landes die 5000-Einwohner-Stadt kontrollieren. Ein
       AFP-Reporter berichtete allerdings aus Swjatogorsk, dass keinerlei
       Sicherheitskräfte zu sehen seien. Bewohner berichteten zudem, dass ihre
       Stadt nie unter Kontrolle prorussischer Kräfte gewesen sei.
       
       Die Separatisten kontrollieren weiterhin das 30 Kilometer südlich gelegene
       Slawjansk. Dort halten sie nach eigenen Angaben weiter einen Journalisten
       mit US- und israelischer Staatsbürgerschaft fest. Simon Ostrovsky vom
       US-Magazin Vice stehe im Verdacht, ein Spion der ultranationalistischen
       Gruppe Rechter Sektor zu sein, sagte der selbst ernannte Bürgermeister von
       Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow. Eine Bestätigung der Behörden gab es
       zunächst nicht.
       
       Der russischen Internetzeitung gazeta.ru sagte Ponomarjow: „Wir brauchen
       Gefangene. Wir brauchen Verhandlungsmasse.“ In Slawjansk und der nahen
       Stadt Gorlowka sind nach Informationen örtlicher Medien in der vergangenen
       Woche bis zu 16 Menschen verschleppt worden.
       
       ## Frank-Walter Steinmeier in Moldau
       
       Zu dem „Anti-Terror-Einsatz“ der ukrainischen Sicherheitskräfte sagte
       Russlands Außenminister Lawrow im staatlich kontrollierten russischen
       Fernsehsender RT, dieser sei genau in dem Moment von Kiew angekündigt
       worden, als US-Vizepräsident Joe Biden in der ukrainischen Hauptstadt
       gewesen sei. Dies zeige ganz klar, „dass dies die Show der Amerikaner ist“,
       sagte Lawrow. Darauf erwiderte am Abend US-Außenamtssprecherin Jen Psaki in
       Washington: „Ich glaube, viele der von ihm gemachten Vorwürfe sind
       lächerlich und sie entsprechen nicht den Fakten vor Ort.“
       
       Anfang der Woche hatten die USA mehrere Fotos präsentiert, die nach Angaben
       Washingtons „Beweise“ dafür sind, dass einige der bewaffneten Kämpfer in
       der Ostukraine in Wahrheit russische Militärs oder Offiziere des russischen
       Geheimdienstes sind. Diese Fotos bezeichnete wiederum Lawrow als
       „gefälscht“. Das einzige, was Washington anhand der nach seinen Angaben am
       Computer manipulierten Fotos vorbringe, sei die Existenz russischer Waffen.
       Dies sei allerdings „nicht sehr überzeugend“, da in der Ukraine leichte
       russische Waffen wie Kalaschnikows oder Makarow-Revolver sehr weit
       verbreitet seien.
       
       Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte bei einem Besuch
       in der früheren Sowjetrepublik Moldau, die in Genf mühevoll erkämpfte
       Chance dürfe nicht ungenutzt verstreichen. "Jeder Tag, der vergeht wie das
       vergangene Wochenende, mit steigender Gewalt, mit einer wachsenden Anzahl
       von Besetzungen öffentlicher Gebäude, jeder dieser Tage macht eine Lösung
       immer schwieriger." Es müssten alle diplomatischen Mittel genutzt werden,
       um die Genfer Vereinbarung mit Leben zu füllen. "Die Uhr tickt", sagte er.
       
       24 Apr 2014
       
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