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       # taz.de -- Behörden in Mecklenburg-Vorpommern: Machtlos gegen Neonazis
       
       > Das Schweriner Innenministerium wollte Rechtsextremen die Karriere bei
       > der Feuerwehr verwehren. Aber die „Initiative Wehrhafte Demokratie“
       > greift nicht.
       
   IMG Bild: Feuerwehrleute sollen keine Neonazis sein. (Archivbild)
       
       BERLIN taz | Der Vorstoß war ambitioniert. Per Runderlass wollte
       Innenminister Lorenz Caffier allen „Feinden von Rechtsstaat und Demokratie“
       den Zugang zu öffentlichen Ämtern versperren. Kein Neonazi sollte mehr
       Bürgermeister oder Feuerwehrchef in Mecklenburg-Vorpommern werden.
       „Initiative Wehrhafte Demokratie“ nannte der CDU-Politiker das Projekt, mit
       dem er 2007 Schlagzeilen machte.
       
       Doch im ersten Härtetest gut sechs Jahre später sieht das Schweriner
       Innenministerium eher wehrlos aus. Die kleine Gemeinde Postlow im äußersten
       Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns, bekannt für ihr Rekordergebnis von 38
       Prozent NPD-Stimmen bei der Landtagswahl 2006, führt Caffier seit Wochen
       vor, wie wenig Handhabe er hat, was die Umsetzung seines eigenen
       Radikalenerlass angeht.
       
       Im Februar winkte der Postlower Gemeinderat eine Personalie durch, die das
       Gremium gemäß dem Erlass hätte stoppen sollen: Die Gemeindevertreter
       bestätigten die Ernennung des Straßenbauers Ralf Städing zum Feuerwehrchef
       ihrer Gemeinde, obwohl ihn die örtliche Neonazi-Szene als Kandidaten fürs
       Lokalparlament empfohlen hatte und er obendrein mit der Neonazi-Band „Wiege
       des Schicksals“ auf der Bühne gestanden hatte.
       
       Die Gruppe hat einen Namen in der Szene. 2012 trat sie vor über tausend
       Zuhörern beim „Pressefest“ der „Deutschen Stimme“ auf, einem der
       wichtigsten Neonazitreffen. Kostprobe aus einem Song: „Germanien, erwache
       aus deinem bösen Traum. Sie wollen dich knechten, sie wollen bunt statt
       braun. […] Schwule und Lesben tummeln sich in unseren Grenzen.
       Antifaschisten, die gegen uns hetzen. Jenes Pack, was wir hassen. Wer
       Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“
       
       ## Gewählt ist gewählt
       
       Innenminister Lorenz Caffier „bedauerte“ in einer ersten Stellungnahme die
       Personalie, doch er griff nicht durch. Warum er so überraschend
       zurückhaltend reagierte, erklärte der CDU-Mann vor ein paar Tagen in
       schönstem Verwaltungsdeutsch: Nach den „Grundsätzen des Beamtentums“ könne
       „eine rechtswidrige Ernennung nicht zurückgenommen werden“, selbst wenn sie
       „rechtswidrig erfolgte“. Soll wohl heißen: Gewählt ist gewählt, ob mit
       Radikalenerlass oder ohne.
       
       „Dieser Erlass ist ein zahnloser Tiger“, kritisiert Günther Hoffmann,
       Fachmann für die rechtsextreme Szene im Nordosten. Der Fall Postlow zeige,
       dass die Verordnung im aktuellen Fall nicht greife. „Der Innenminister hat
       mit dem Erlass leider nur den Schein erweckt, ein wirksames Werkzeug gegen
       Unterwanderungsbemühungen von Rechtsextremisten zur Verfügung zu stellen.“
       Im Alltag jedoch sei das Papier „wertlos“.
       
       Die Aufgabe, sich als Demokraten wehrhaft zu zeigen, können nun bestenfalls
       noch lokale Aufsichtsbehörden übernehmen. Das Amt Anklam-Land, die
       Verwaltungsinstanz über der Gemeinde, legte bereits Einspruch gegen die
       Ernennung Städings zum Feuerwehrchef ein. Doch letzte Woche wiesen die
       Postlower Gemeindevertreter den Einspruch in nichtöffentlicher Sitzung
       zurück. Dem Nordkurier erläuterte der Bürgermeister: Man habe den
       Feuerwehrchef hinter verschlossenen Türen um eine Erklärung gebeten und
       dabei festgestellt, dass die gegen ihn erhobenen „Vorwürfe“ unbegründet
       seien.
       
       Nun prüft das Amt Anklam-Land, ob es den Beschluss der Postlower
       Gemeindevertreter erneut anfechten soll. Für die Entscheidung ist laut dem
       leitenden Verwaltungsbeamten Halmar Quast noch bis kommende Woche Zeit.
       Falls seine Behörde erneut Widerspruch einlege, werde man sich wohl vor
       Gericht wiedersehen: Der Bürgermeister habe bereits angekündigt, notfalls
       den Rechtsweg zu nehmen.
       
       Es wäre ein schwieriger Präzedenzfall, nicht nur juristisch. Der Postlower
       Bürgermeister machte unlängst selbst kommunalpolitisch Karriere: Norbert
       Mielke leitet jetzt als Behördenvorsteher ebenjenes Amt Anklam-Land, dessen
       Beamte nun das Widerspruchsverfahren gegen ihn führen müssen.
       
       23 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Astrid Geisler
       
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