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       # taz.de -- Altlasten in Sellafield: Atommüll versinkt im Meer
       
       > Radioaktiver Abfall aus dem Lager Drigg bei Sellafield wird künftig in
       > den Ozean gespült. Der Klimawandel verstärkt die Küstenerosion.
       
   IMG Bild: Ein bisschen wie ein Fliegenpilz, dieses Sellafield: sieht hübsch aus, ist aber giftig.
       
       DUBLIN taz | Das Atommüll-Lager Drigg bei Sellafield wird unweigerlich im
       Meer versinken und die Küste im Westen Großbritanniens verseuchen. Das geht
       aus einem internen Bericht hervor, den die britische Umweltbehörde am
       Montag veröffentlichte. Das Lager enthält eine Million Kubikmeter
       radioaktiven Mülls, der sich im Lauf von 55 Jahren angesammelt hat. Die
       Erosion durch den Klimawandel, der schwere Stürme und einen steigendem
       Meeresspiegel mit sich bringt, werde den Müll in die Irische See spülen,
       heißt es in dem Bericht.
       
       Wenn der Name „Sellafield“ fällt, zuckt man unwillkürlich zusammen. Seit
       die Atomanlage an der britischen Westküste 1950 in Betrieb genommen wurde,
       gab es regelmäßig Meldungen über Zwischenfälle und Katastrophen. Zuletzt
       musste die Plutoniumschleuder im Januar wegen „erhöhter Radioaktivität“
       teilweise geschlossen worden. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte das
       mit „natürlich auftretender Hintergrundstrahlung“, aber nach all den Lügen
       und Vertuschungsversuchen der vergangenen 60 Jahre gibt es keinen Grund,
       das zu glauben.
       
       Die Umweltbehörde meint, auch die Wahl von Drigg sechs Kilometer von
       Sellafield entfernt für die Lagerung von schwach radioaktiv strahlendem
       Müll war ein Fehler. „Es ist zu bezweifeln, dass der Ort für ein
       oberflächennahes Lager von radioaktivem Müll gewählt würde, wenn man die
       Entscheidung heutzutage treffen müsste“, heißt es in dem Bericht. Die
       Behörde rechnet damit, dass radioaktive Partikel die Strände der Region
       verseuchen werden. Sie geht allerdings davon aus, dass das erst „in einigen
       hundert oder einigen tausend Jahren“ geschehen werde.
       
       In Wirklichkeit habe der Prozess längst begonnen, sagt Martin Forwood von
       einer lokalen Umweltorganisation. Seit 2010 wurden mehr als 1.200
       radioaktive Teile an den Stränden der Grafschaft Cumbria gefunden. „Die
       weitere Benutzung des Lagers ist aufgrund der Gefahr eines steigenden
       Meeresspiegels unethisch und äußerst gefährlich für künftige Generationen“,
       sagt Forwood.
       
       ## Schludrigkeiten der Atomindustrie
       
       Das Konsortium aus der US-Firma URS, dem französischen Staatsunternehmen
       Areva und der schwedischen Atomfirma Studsvik, das das Lager Drigg
       betreibt, will dort in den nächsten hundert Jahren jedoch weitere 800.000
       Kubikmeter Atommüll lagern: Trümmer von ausgemusterten Atomkraftwerken,
       atomare U-Boote, Atomwaffen und radioaktiven Müll von Krankenhäusern und
       Universitäten. Öffentliche Anhörungen über die weitere Benutzung des Lagers
       sollen im Herbst stattfinden.
       
       Das 110 Hektar große Lager Drigg liegt lediglich fünf bis zwanzig Meter
       über dem Meeresspiegel. Viel Müll hier kommt aus Sellafield. Eigentlich
       sollte es nur schwach strahlender Abfall sein, aber angesichts der
       Schludrigkeiten der Atomindustrie fürchten viele, dass auch
       hochradioaktiver Abfall in das Lager gelangt ist.
       
       Die Betreiber von Drigg behaupten dagegen, sie haben die erlaubte
       Radioaktivität für den Müll weiter eingeschränkt, sodass die Strahlendosis
       für Menschen „sehr gering“ sein werde, falls die Küstenerosion den Müll
       freilegen sollte. Außerdem werde die Strahlung dann weitgehend nachgelassen
       haben. Für hochradioaktiven Müll gibt es nach wie vor kein Endlager in
       Großbritannien. Die britischen Regierungen suchen seit Jahrzehnten nach
       einer Lösung.
       
       22 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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