# taz.de -- Kommentar Fabrikeinsturz Bangladesch: Lethargie auf allen Ebenen
> Es ist unfassbar: Auch ein Jahr nach dem Einsturz des Rana Plaza warten
> Überlebende und Angehörige auf eine Entschädigung. Dabei läuft ihnen die
> Zeit davon.
IMG Bild: Demo für Entschädigung: In Dhaka protestieren TextilarbeiterInnen mit einer Menschenkette.
Es ist kaum zu glauben: Auch ein Jahr nach dem Einsturz des Rana Plaza gibt
es noch immer keine abschließende Liste derjenigen, die beim Einsturz des
Fabrikgebäudes anwesend waren. Eine solche Auflistung wurde bei einem
unterbesetzten Regierungsbüro in Auftrag gegeben, und so wird es auch zum
Jahrestag am 24. April kein Ergebnis geben, wer Opfer des wohl schlimmsten
Industrieunglücks in Bangladesch geworden ist. Keiner weiß es genau. Ebenso
wenig ist bekannt, wer welchen Anspruch auf welche Entschädigung hat.
Es scheint, als hätten die Zuständigen alle Zeit der Welt. Zeit, um eben
eine solche Liste aufzustellen. Zeit, um sich zu überlegen, wie der Anteil
vom Millionengewinn für die Entschädigung kleingerechnet werden kann. Und
Zeit, um ein kompliziertes Entschädigungssystem endlich in Gang zu setzen.
Es ist unfassbar, mit welcher Lethargie Regierung, Fabrikbesitzer und
Modefirmen in Bangladesch zu Werke gehen. Und wie selbstverständlich es für
sie zu sein scheint, dass die ArbeiterInnen vermutlich noch Monate auf
Entschädigung warten müssen.
Und denen läuft die Zeit davon. Viele der Geschädigten haben für ihre
Verletzungen und Krankheiten aus der eigenen Tasche zahlen müssen. Viele
waren gezwungen, Schulden zu machen. Jetzt müssen sie diese zurückzahlen.
Und nicht wenige können als Folge der Katastrophe wegen Verletzungen und
Traumata nicht mehr arbeiten. Sie brauchen das Geld sofort, nicht
irgendwann. Auch dann ist es nur ein schwacher Trost: Die meisten werden
mit der Entschädigungssumme gerade einmal die Schulden begleichen, die sie
nach dem Einsturz gemacht haben.
## Es gibt keine Opfer-Liste
Die Firmen, die in Bangladesch Milliarden umsetzen, und daran Millionen –
wenn nicht sogar Milliarden – verdienen, haben es nicht einmal geschafft,
die schmale Entschädigungssumme von 29 Millionen Euro aufzubringen. Viele
Betriebe haben auch nicht offengelegt, wie hoch ihr Beitrag zur
Entschädigung ist.
Aber beim Rana Plaza hält sich sogar der oberflächliche Aktionismus in
Grenzen. Die gute Nachricht, die sich die Beteiligten für den kommenden
Jahrestag zurechtgelegt haben, ist eine bescheidene: Alle Familien der
Opfer des Einsturzes und die Verletzten sollen vorerst schon einmal 500
Euro erhalten. Das ist weniger als der Jahreslohn für eine NäherIn. Und
selbst diese Auszahlung ist fraglich. Es gibt keine endgültige Liste der
Opfer.
23 Apr 2014
## AUTOREN
DIR Lalon Sander
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