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       # taz.de -- Werbung an Grundschulen: RWE macht sich an 6-Jährige ran
       
       > Jedes Jahr bekommen Zehntausende Erstklässler ein Geschenk des Kohle- und
       > Atomkonzerns: eine Brotdose. Werbung oder Unterrichtsmaterial?
       
   IMG Bild: Übt sich in Schulsponsoring: Energiekonzern RWE.
       
       BOCHUM taz | Die Masche von RWE ist billig, einfach – und fast genial. Der
       Kohle- und Atomkonzern macht schon Sechsjährige zu Werbeträgern. Seit 2006
       verschenkt die Essener Aktiengesellschaft Frühstücksdosen an Erstklässler.
       Allein 2012 sollen über 80.000 Plastikboxen verteilt worden sein, auf denen
       das RWE-Logo prangt.
       
       In den Dosen, die RWE-Mitarbeiter gern zusammen mit Bürgermeistern
       verteilen, finden die Kinder Buntstifte und ein Lineal, ebenfalls garniert
       mit Werbung. Zudem erklärt ein „Quiz, wofür im Schulalltag Energie benötigt
       wird“. So steht es auf der [1][RWE-Internetseite, garniert mit Fotos] von
       freudestrahlenden Erstklässlern.
       
       Die Lokalpresse findet das gut. „Kleine Energiespender“, titelt der
       Siegerlandkurier. „Nicht nur schick, sondern auch praktisch“ sei das
       Geschenk. Viele Kommunen verbreiten die Werbung: „RWE spendiert allen
       Erstklässlern Energie Entdecker Box“, ist im Onlineauftritt der Stadt Goch
       am Niederrhein zu lesen. Das Foto mit lächelnden Kindern und dem im
       RWE-Kommunalbeirat sitzenden CDU-Bürgermeister Karl-Heinz Otto sowie
       RWE-Mitarbeiter Rainer Hegmann hat Stadtsprecher Torsten Matenaers
       geknipst.
       
       Über die klimaschädlichen RWE-Braunkohlekraftwerke, die dafür zu
       Mondlandschaften verwandelten Regionen oder über das fehlende Endlager für
       den Atommüll aus RWE-Meilern fällt kein Wort. Bei geschätzten Kosten von 2
       bis 3 Euro pro Dose ist der Kosten-Nutzen-Effekt für den Konzern riesig.
       
       Möglich machen das die Schulgesetze der Länder. „Grundsätzlich unzulässig“
       ist Werbung etwa in nordrhein-westfälischen Schulen nur, wenn sie „nicht
       schulischen Zwecken dient“. Gibt es einen „schulischen Nutzen“, ist sie in
       Zeiten knapper Kassen erlaubtes „Schulsponsoring“.
       
       ## Geteilte Meinungen an den Schulen
       
       „Das ist keine verbotene Werbung“, sagt Klemens Suttorp, Leiter der
       Canisiusschule in Marl im nördlichen Ruhrgebiet – mit den Plastikboxen
       könne schließlich der Umgang mit Energie genauso zum Thema gemacht werden
       wie gesunde Ernährung. Die Abbildung von SchülerInnen im Internet findet
       der Pädagoge unproblematisch: „Eltern unterschreiben mir pauschal, dass sie
       mit der Veröffentlichung von Fotos einverstanden sind.“
       
       Nachdenklicher klingt Hilde Schmitz, Lehrerin der Viktor-Schule in Xanten:
       Die Brotdosen seien „nützlich und gut“. Trotzdem werden sie in der Schule
       am Niederrhein nur bei Elternabenden verteilt: „Ich weiß, dass wir
       eigentlich keine Werbung machen dürfen.“ Viele Eltern sehen die RWE-Masche
       kritisch. „Ich finde die Verteilung von Werbeartikeln – egal ob von
       Umweltverbänden, Scientology oder Stromkonzernen – an Grundschüler
       vollkommen daneben“, sagt ein taz-Leser, der im Marketing arbeitet und
       seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Als seine Kinder am ersten
       Schultag mit dem RWE-Paket nach Hause kamen, habe er die „Plastikdosen
       natürlich unbemerkt verschwinden lassen.“
       
       Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält das Sponsoring
       an Schulen für ein Problem. „Schule soll aufklären, nicht Werbung machen“,
       sagt Michael Schulte, NRW-Landesgeschäftsführer der GEW. Die
       Sponsoring-Regeln der Landesschulgesetze führten zu „Auswüchsen, die nicht
       mehr akzeptabel“ seien. Der Stromkonzern sorge dafür, dass „Schülerinnen
       und Schüler, die von ihrem Zuhause auf eine nicht so große Unterstützung
       bauen können, mit der geschenkten Brotdose ihr Frühstück in einem dafür
       geeigneten Behältnis zur Schule mitnehmen können“, argumentieren dagegen
       Beamte der rheinland-pfälzischen Schulministerin Doris Ahnen (SPD).
       
       Das NRW-Schulministerium sieht das anders: „Nach unserer Einschätzung
       überschreitet die Brotdosen-Aktion die Grenze zur unzulässigen Werbung“, so
       ein Sprecher der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann auf Nachfrage der
       taz. „Wir werden die Bezirksregierungen als oberste Schulaufsicht bitten,
       die Schulämter entsprechend zu informieren.“
       
       22 Apr 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.rwe.com/web/cms/de/289390/rwe-deutschland-ag/presse/pressemitteilung/?pmid=4008236
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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