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       # taz.de -- Glaube in der Öffentlichkeit: Ist es heute peinlich, Christ zu sein?
       
       > Seit 1990 treten rund 250.000 Gläubige im Jahr aus den christlichen
       > Kirchen aus. Bekennt sich überhaupt noch jemand zu seinem Glauben?
       
   IMG Bild: Zwei Christinnen auf einem Kirchentag
       
       Mittwochmorgen, halb 8. Müde, frierende, katholische Schüler sitzen in
       einer ostdeutschen Kirche, sie singen: Tochter Zion, freue dich!, Großer
       Gott, wir loben dich! Ich singe nicht. Ich liege schön im Bett und schlafe
       aus, wie jeden zweiten Mittwoch im Monat zum freiwilligen Schulgottesdienst
       meines katholischen Gymnasiums. Zur zweiten Stunde sitzen wir wieder alle
       zusammen, verschlafene Christen und ausgeschlafene Atheisten, die sich
       deutlich entspannter und lässiger vorkommen.
       
       Es scheint heute nicht leicht, Christ zu sein. Die groß inszenierten
       Weltjugendtage können kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Kirche ihre
       Modernisierung zu lange verschlafen hat – oder der Säkularisierung schlicht
       nichts entgegenzusetzen hatte. Grade in Deutschland sind die Folgen
       spürbar: 2012 traten wieder über 250.000 Gläubige aus den christlichen
       Kirchen aus. Die Repräsentanten des Glaubens – Mixa, Tebartz-van Elst,
       Meisner – unterstützen den Schwund mit dogmatischen, unglücklichen oder
       skandalösen Äußerungen und Verschwendungen. Ihre Kirche wirkt unzeitgemäß.
       Radikale Christen aus Baden-Württemberg tun ihr übriges für das Image einer
       Institution.
       
       taz-Autorin Maria Rossbauer hat sich bewusst von ihrem Glauben
       verabschiedet. In der Titelgeschichte der taz.am Wochenende vom 19./20./21.
       April 2014 fragt sie sich, warum Gott sie trotzdem nicht loslässt: „Hat das
       mit meiner niederbayerischen Kindheit zu tun – den sonntäglichen
       Kirchengängen, den Gebeten, der Erstkommunion? Oder ist es mehr als das,
       steckt der Glaube an Gott vielleicht einfach in uns?“ Sie begibt sich auf
       Spurensuche bei einem Religionswissenschaftler, einem Psychologen und im
       Kloster.
       
       „Aus heutiger Sicht kann man klar sagen, dass sowohl Religiosität als auch
       Spiritualität und magisches Denken jeder Mensch in sich veranlagt hat“,
       erzählt ihr Michael Blume, einer der wenigen Religionswissenschaftler, der
       die Evolution der Religiosität erforscht. Es gebe zwar kein einzelnes Gen,
       das ausmache, ob man an Gott glaubt oder nicht, wie es der US-Genetiker
       Dean Hammer vor zehn Jahren behauptete. Doch Glaube sei in einfachen
       kognitiven Prozessen veranlagt.
       
       Die Religiosität äußert sich aber bei vielen anders. Während sich immer
       mehr von der traditionellen Bindung zu kirchlichen Institutionen lösen,
       haben mildere spirituelle Strömungen, Meditation, Esoterik und Heilkunde
       seit Jahren Zulauf und prägen den Zeitgeist. Selbst die CDU öffnet sich
       bisweilen derart, dass Kirchenvertreter ihr das C absprechen wollen. So
       sind klare Bekenntnisse zum christlichen Glauben rar geworden. Wenn man
       unter aufgeklärten Freunden erzählt, man sei ein Christ und ja, man glaube,
       wirklich, wird man schnell komisch angeschaut. Wieso das denn? Und woran
       glaube man denn da genau? An diese lustigen Geschichten, die in diesen
       Ostertagen wieder erzählt werden?
       
       Und es gibt sie doch. Die, die sich bekennen: Linken-Politiker Bodo Ramelow
       ist 1990 nach zwölf Jahren Abstinenz wieder in die Kirche eingetreten und
       gerät seitdem wegen seiner klaren Position immer wieder in [1][Konflikt mit
       seiner Partei.] Auch der ehemalige Rennfahrer Niki Lauda, einst ausgetreten
       wegen der Kirchensteuer, ist wieder eingetreten, weil er seine Zwillinge
       taufen lassen wollte. Und der österreichische Schauspieler Harald
       Krassnitzer überlegt sich aus Faszination für Papst Franziskus wieder
       einzutreten: „Der mischt diesen Verein komplett auf, und bringt ihn dorthin
       zurück wo er herkam.“
       
       Was bedeutet es heute, in der Kirche zu sein? Was kann sie noch geben?
       Warum glauben Menschen noch? Glauben Sie? Trauen Sie sich, öffentlich
       darüber zu reden?
       
       Diskutieren Sie mit!
       
       Die Titelgeschichte „In Fleisch und Blut“ lesen Sie in der taz.am
       wochenende vom 19./20./21. April 2014.
       
       18 Apr 2014
       
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