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       # taz.de -- Solidarische Landwirtschaft: Unterstützung für den Bauernhof
       
       > Man bezahlt den Bauern dafür, dass sein Hof insgesamt läuft. Was man
       > dafür bekommt, ist irgendwie offen. Hat das Charme oder ist es bekloppt?
       
   IMG Bild: Heute eben Kirschen, morgen Kartoffeln – solidarische Landwirtschaft hält Überraschungen bereit
       
       BERLIN taz | Die Idee ist einfach: Stadtbewohner finanzieren durch
       monatliche Beiträge den gesamten Betrieb eines Hofs und ermöglichen ihm,
       unabhängig vom Markt zu wirtschaften. Dafür erhalten sie die Ernte.
       Community Supported Agriculture (CSA), Solidarische Landwirtschaft, heißt
       das Konzept – doch bei der Umsetzung hapert es. Schätzungen des Netzwerks
       Solidarische Landwirtschaft zufolge können sich auch 40 Jahre nach der
       Gründung des ersten CSA-Hofes in Deutschland bisher maximal 15 Höfe
       komplett so finanzieren.
       
       Bei der Solidarischen Landwirtschaft decken Stadtbewohner die Kosten eines
       Hofs im Voraus ab. So können die Landwirte unabhängig von Witterung und
       Marktentwicklungen und trotzdem finanziell abgesichert arbeiten. Im
       Gegenzug erhalten die Zahlenden die gesamte Ernte des Hofs, erklärt
       Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft.
       
       Die Gemeinschaft kauft dem Landwirt also nicht 3 Kilo Kartoffeln, einen
       Bund Möhren und eine Flasche Saft ab, sondern bezahlt ihn dafür,
       Landwirtschaft zu betreiben.
       
       ## Für den Investoren eine Wundertüte
       
       Als Unterstützer der Solidarischen Landwirtschaft können Verbraucher damit
       nicht darüber entscheiden, was genau ihre wöchentliche Gemüselieferung
       enthält. Auch ist nicht sicher, wie viele Lebensmittel sie für ihren
       monatlichen Beitrag letztlich bekommen werden. Ein Konzept also, das sich
       deutlich vom Einkauf im Supermarkt unterscheidet.
       
       Das weiß auch Ortrun Staude vom Hof Staudenmüller in Vietmannsdorf. Der
       Familienbetrieb liegt knapp 90 Kilometer nördlich von Berlin und hat vor
       rund zwei Jahren auf Solidarische Landwirtschaft umgestellt. Derzeit
       finanziert er sich mit einem Mischkonzept. Auf dem Hof gibt es eine
       Ferienwohnung, regelmäßig kommen Schulklassen zu Besuch. Außerdem verkauft
       die Landwirtin Produkte an Biomärkte und im eigenen Hofladen.
       
       „Der Bewusstseinswandel geht langsam voran“, sagt Staude. In ihren Augen
       hängen die Menschen zu sehr am marktwirtschaftlichen Grundsatz „Ich
       bezahle, du lieferst.“ Bei der Solidarischen Landwirtschaft zahlen Menschen
       für nachhaltige Landwirtschaft als Ganzes statt für einzelne nachhaltige
       Produkte. Stand: Im Februar 2014 waren 25 Höfe Mitglieder des Netzwerks
       Solidarische Landwirtschaft. 22 weitere Höfe gaben an, solidarisch zu
       wirtschaften, ohne bisher beigetreten zu sein. Im Gesamtbild von 288.200
       landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland machen 47 Höfe nur einen
       kleinen Teil aus.
       
       ## Ganzheitlicher Ansatz statt Ausdifferenzierung
       
       „Die Idee ist, dass Landwirte wie Lehrer bezahlt werden“, erklärt Staude
       den Gedanken hinter dem Konzept. „Die bekommen ja auch ein Grundgehalt und
       werden nicht pro guter Note bezahlt.“ Nur dann gebe es Kapazitäten für
       Bodenpflege oder Tierpflege-Arbeiten, die nicht verkäuflich sind, aber
       trotzdem anfallen.
       
       Dass es für viele Höfe im Moment keine Option ist, ihren Betrieb
       vollständig umzustellen, weiß auch Wild. „Es gibt im Netzwerk keinen
       Perfektionismusanspruch“, erklärt sie. Um Mitglied zu werden, müssten die
       Landwirte ihre Umsätze zu mindestens 50 Prozent aus Solidarischer
       Landwirtschaft beziehen. Das Potenzial, die Höfe so komplett zu
       finanzieren, sei aber gegeben, sagt Wild. Das 2011 gegründete Netzwerk
       stehe noch ganz am Anfang.
       
       ## Persönliche Mithilfe eher nicht
       
       Auch für die Höfe ist die Umstellung nicht einfach. Die Mithilfe von
       Stadtbewohnern auf dem Hof etwa, sogenannte Hofeinsätze, sieht Staude
       kritisch. Gerade für kleine Familienbetriebe seien sie manchmal
       zusätzlicher Stress. „Gerade im ersten Jahr hatten wir fast jedes
       Wochenende Leute, die mitmachen wollten. Am Ende war ich völlig platt“,
       erinnert sich die Landwirtin. Die Helfer konnten ihnen einige Arbeiten
       abnehmen, der nötige Betreuungsaufwand sei jedoch viel zu hoch. „Das ist
       nur auf Höfen sinnvoll, die genug Leute haben, damit jemand nur für diese
       Menschen zuständig ist“, sagt sie.
       
       Dennoch. Staude sieht das Konzept nicht nur als finanzielle, sondern auch
       als eine moralische Stütze. „Landarbeit ist hart und bringt nichts ein“,
       sagt sie. Solidarische Landwirtschaft biete ihr die Möglichkeit, trotzdem
       als Landwirtin leben zu können. Und der Kontakt zu den Menschen sei anders,
       viel mehr geprägt von Mitgefühl und Solidarität.
       
       21 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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