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       # taz.de -- Nach dem Gedenken in Ruanda: Ein Sänger als Terrorist?
       
       > Zum Ende der Woche des Gedenkens an den Völkermord in Ruanda wird einer
       > der berühmtesten jungen Musiker des Landes verhaftet.
       
   IMG Bild: Kizito Mihigo wird am Dienstag der Presse vorgeführt und gesteht.
       
       BERLIN taz | Mit einem Paukenschlag ist in Ruanda die Gedenkwoche an den
       Völkermord an den Tutsi vor zwanzig Jahren zu Ende gegangen. Kizito Mihigo,
       einer der populärsten Musiker des Landes und selbst Völkermordüberlebender,
       wurde wegen Mithilfe bei der Vorbereitung von Terroranschlägen verhaftet.
       
       Mit ihm in Untersuchungshaft kam der Leiter des
       christlich-fundamentalistischen Radiosenders Amazing Grace Christian Radio,
       Cassien Ntamuhanga, die Buchhalterin des Senders und ein demobilisierter
       Soldat.
       
       Kizito Mihigo ist in ganz Ruanda bekannt für seine Lieder für Frieden und
       Versöhnung. Er verkörpert für viele den besonders staatstragenden Teil der
       jungen Generation, die Ruanda nach dem Genozid neu aufbaut. Der 33-jährige
       tiefgläubige Christ verlor im Völkermord seinen Vater und machte sich
       danach einen Namen als Komponist von Liturgien und Chorälen.
       
       2010 kehrte er vom Studium in Belgien nach Ruanda zurück; 2011 wurde sein
       Song zum 17. Jahrestag des Völkermords, „Twanze gutoberwa Amateka“, zum
       Hit. Mihigo wurde von der Präsidentengattin Jeanette Kagame persönlich
       geehrt. Seine Stiftung KMP (Kizito Mihigo for Peace) erhielt 2011 eine
       staatliche Auszeichnung für junge ruandische Leistungsträger.
       
       Jetzt aber präsentieren die Behörden den Sänger als Gesicht einer
       Verschwörung in Zusammenarbeit mit flüchtigen Tätern des Völkermords.
       „Beteiligung an der Planung von Terrorangriffen gegen Ruanda, Planung des
       gewaltsamen Umsturzes der Regierung, Planung der Ermordung von
       Regierungsbeamten und Aufstachelung der Bevölkerung zur Gewalt“ sind laut
       Polizei die Anklagepunkte.
       
       Mihigo gehöre zu einem Kreis um die Exilorganisation RNC (Ruandischer
       Nationalkongress) sowie der im Kongo kämpfenden Nachfolgeorganisation der
       Völkermordarmee von 1994, der Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur
       Befreiung Ruandas). Der Kreis sei für zahlreiche Granatenanschläge in
       Ruanda verantwortlich.
       
       Kizito Mihigo wurde laut Polizei am Freitag festgenommen. Am gleichen Tag
       hatte Ruandas regierungsnahe Tageszeitung New Times noch lobend unter dem
       Titel „Kizito Mihigo drängt Künstler, Frieden durch Musik zu fördern“ über
       ihn berichtet.
       
       ## Öffentliches Geständnis nach Tagen in Haft
       
       Am Dienstag führte die Polizei den Sänger und die anderen Häftlinge auf
       einem zentralen Platz in Kigali der Presse vor. Kizito Mihigo gestand nach
       Angaben anwesender Journalisten, in Skype-Kontakt mit RNC-Exilanten
       gestanden zu haben. Er sei in eine kriminelle Verschwörung hineingerutscht,
       sagte er: „Manchmal führt das Leben einen in die falsche Richtung.“
       
       Ruandische Berichte präzisieren, die vier hätten Anschläge Ende März
       geplant. Motiv sei Rache für die bis heute ungeklärte Ermordung des
       ruandischen Ex-Geheimdienstchefs Patrick Karegeya am 1. Januar im
       südafrikanischen Exil. Karegeya war einer von mehreren flüchtigen
       ehemaligen Freunden des ruandischen Präsidenten Paul Kagame, die mit diesem
       gebrochen haben; sie werden offiziell in Ruanda als Verräter betrachtet.
       
       ## Ungläubig und schockiert
       
       Ruandas Kulturszene reagierte ungläubig und schockiert auf die
       Verhaftungen, wie aus sozialen Netzwerken hervorgeht. „Die Leute fragen
       sich, ob das sein kann“, sagte der ruandische Radiojournalist Albert
       Rudatsimburwa der taz. Registriert wird auch, dass Kizito Mihigo vor seinem
       öffentlichen Geständnis vier Tage in Polizeigewahrsam ohne Kontakt zur
       Außenwelt verbracht hat.
       
       Rundfunkchef Cassien Ntamuhanga war schon direkt nach der zentralen
       Gedenkfeier zum Völkermordjahrestag am 7. April verschwunden.
       
       Die Affäre wirft auf jeden Fall Fragen auf. Wenn das Geständnis des Sängers
       echt ist, hat Ruanda jahrelang einem Sympathisanten der Völkermordtäter
       gehuldigt. Wenn alles eine Manipulation ist, was manche vermuten, würde das
       bedeuten, dass der Mord an Karegeya Kreise bis in höchste Zirkel zieht.
       
       15 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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