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       # taz.de -- Unruhen im Osten der Ukraine: Timoschenko will direkte Militärhilfe
       
       > Die ukrainische Präsidentschaftskandidatin glaubt nicht mehr an eine
       > friedliche Einigung mit Russland. Und SPD- Chef Gabriel warnt vor einer
       > Wiederholung der Geschichte.
       
   IMG Bild: Pro-russische Separatischen stürmen am Montag eine Polizeistation im ostukrainischen Horlivka.
       
       KIEW/LUXEMBURG dpa/afp | Der ukrainische Übergangspräsident Olexander
       Turtschinow hofft auf Hilfe der Vereinten Nationen im Kampf gegen
       prorussische Milizionäre im Osten des Landes. Beobachter und „Profis“ der
       UNO könnten die „Legitimität unserer Handlungen“ bei
       „Anti-Terror-Einsätzen“ bestätigen, regte Turtschinow in einem Telefonat
       mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an, wie das ukrainische Präsidialamt am
       Montag mitteilte.
       
       Am Morgen verstrich ein Ultimatum der Regierung in Kiew an prorussische
       Kräfte, ihre Waffen niederzulegen. In der Stadt Slawjansk waren bei
       Schusswechseln zwischen Sicherheitskräften und prorussischen Milizionären
       am Sonntag mehrere Menschen getötet und verletzt worden.
       
       Seit einigen Tagen wächst der Verdacht, dass Russland im Osten der Ukraine
       mit Sicherheitskräften interveniert, um eine Abspaltung der Region
       vorzubereiten.
       
       Angesichts der unruhigen Lage hat Präsidentenkandidatin Julia Timoschenko
       die internationale Gemeinschaft zu „direkter militärischer Hilfe“
       aufgefordert. Das ukrainische Volk kämpfe um seine Freiheit, betonte die
       Ex-Regierungschefin am Montag in einer Mitteilung. „Die Zeit ist gekommen,
       die Organisation des gesamtnationalen Widerstandes gegen den russischen
       Aggressor mit allen verfügbaren Methoden auszurufen.“ Dazu gehöre auch eine
       allgemeine Mobilmachung.
       
       Damit änderte die 53-Jährige innerhalb kürzester Zeit ihre Einstellung zum
       Umgang mit den prorussischen Separatisten. Noch am Sonntagabend hatte die
       Politikerin eine militärische Lösung abgelehnt. Verhandlungen müssten
       unbedingt Vorrang haben. „Ein unverzüglicher Gewalteinsatz würde mit
       Sicherheit zu einem riesigen Blutvergießen führen und früher oder später zu
       einer entsprechenden Aggression der Russischen Föderation“, hatte
       Timoschenko in einer Fernsehsendung gesagt.
       
       Nun betonte sie: „Ich war bis zum Letzten davon überzeugt, dass die
       momentane Krise auf friedlichem Wege zu lösen sei, um keine breite
       militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine zuzulassen. Heute sind
       die Chancen alle vergeben. Sie werden nicht stoppen, wenn wir sie nicht
       stoppen.“
       
       Ende April hatte Timoschenko für Aufsehen gesorgt, als sie in einem
       abgehörten Telefonat gesagt hatte, sie würde Kremlchef Wladimir Putin am
       liebsten eine Kugel in den Kopf schießen.
       
       ## Die EU hilft Ukraine mit 1 Milliarde Euro aus
       
       Die Außenminister der Europäischen Union haben eine Finanzhilfe in Höhe von
       einer Milliarde Euro für die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine
       beschlossen. Sie stimmten am Montag in Luxemburg auch einer Streichung fast
       sämtlicher Zölle für Waren aus der Ukraine zu. Die Maßnahmen sollen die
       wirtschaftliche Lage des Landes stabilisieren.
       
       Die Finanzhilfe von einer Milliarde Euro soll zusammen mit bereits früher
       beschlossenen 610 Millionen Euro in den Haushalt der Ukraine fließen.
       Voraussetzung dafür ist jedoch die Einleitung politischer und
       wirtschaftlicher Reformen.
       
       Mit dem weitreichenden Verzicht auf Einfuhrzölle wird ein Teil des
       geplanten Assoziierungsabkommens vorweggenommen. Unter anderem verzichtet
       die EU auf 95 Prozent der Zölle auf Industrieprodukte und auf 82 Prozent
       der Zölle auf Agrarerzeugnisse.
       
       Die Minister beschlossen zudem, vier weitere Namen auf die Liste der
       Personen zu setzen, deren Konten in der EU wegen der Veruntreuung
       ukrainischer Staatsgelder gesperrt werden. Unter anderem befindet sich
       bereits der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch auf dieser
       Liste mit jetzt 22 Namen. Die Identitäten der vier neuen Betroffenen wurden
       zunächst nicht mitgeteilt.
       
       ## Gabriel: Keine Flaschengeister wecken
       
       Angesichts des Konflikts um die Ukraine hat SPD-Chef Sigmar Gabriel bei
       einer Gedenkveranstaltung zum Ersten Weltkrieg vor einer vergleichbaren
       Entwicklung in Europa gewarnt. Russland sei offenbar bereit, „Panzer über
       europäische Grenzen rollen zu lassen“, sagte der Vizekanzler am Montag in
       Berlin im Beisein des neuen französischen Ministerpräsidenten Manuel Valls.
       Der „alte Geist der nationalistischen Mächtepolitik“ werde durch Russland
       wieder aus der Flasche geholt.
       
       Dieses Aufladen von Konflikten habe vor 100 Jahren auch zum Ersten
       Weltkrieg geführt, sagte Gabriel im Französischen Dom am Berliner
       Gendarmenmarkt. „Deshalb dürfen wir nicht zusehen, wenn einhundert Jahre
       nach Sarajevo in Europa versucht wird, national homogene Staaten zu
       schaffen. Gleich, ob es auf der Krim, in der Ukraine oder sonstwo
       geschieht.“ Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz
       Ferdinand in Sarajevo im Sommer 1914 wird als auslösendes Moment für den
       Ersten Weltkrieg gewertet.
       
       Valls unterstrich die Befürchtungen. Der Frieden in Europa sei fragil,
       sagte der französische Gast bei seiner ersten Auslandsreise als
       Ministerpräsident. Alles, was den Krieg 1914 ausgelöst habe, sei auch heute
       nicht vom Kontinent verschwunden. Valls lobte in seiner Rede die Aussöhnung
       Frankreichs und Deutschlands sowie die Entschlossenheit beider Länder,
       Probleme gemeinsam anzugehen.
       
       14 Apr 2014
       
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