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       # taz.de -- Afrikanischer Comic „Aya“: Im Hotel der tausend Sterne
       
       > „Aya“ ist eine Soap-Opera aus Abidjan, der Metropole der Elfenbeinküste.
       > Der Comic hebt sich in erfrischender Weise vom üblichen Afrika-Bild ab.
       
   IMG Bild: In „Aya“ gibt es weder Kindersoldaten noch ethnische Konflikte, weder Hungersnöte noch Korruption.
       
       Über den nächtlichen Marktplatz spannt sich ein Van-Gogh-Himmel. Grünblau
       ist er, überzogen mit weißen Schraffuren und unruhigen schwarzen Schlieren.
       Ein Sichelmond überstrahlt mit seinem hellen Leuchten die Milchstraße.
       Tagsüber drängen sich hier im Zentrum von Yopougon, einem quartier
       populaire der riesigen ivorischen Metropole Abidjan, die Menschen.
       
       Jetzt erfüllen die verlassenen Tische und Stände einen anderen Zweck: Von
       missgünstigen Erwachsenen ungestört, ist es den jugendlichen Anwohnern an
       diesem Ort möglich, miteinander zu reden, zu flirten und auch
       Zärtlichkeiten auszutauschen.
       
       Zu den Stammkunden des „Tausend-Sterne-Hotels“, wie es allgemein ironisch
       genannt wird, zählen die Mädchen Bintou und Adjoua. Sie bandeln beide mit
       Moussa an, dem eher nichtsnutzigen Sohn des neureichen Bonaventure Sissoko,
       der die örtliche Bierbrauerei besitzt.
       
       In dieser arbeitet wiederum Ignace, der Vater von Aya. Sie ist zwar die
       beste Freundin von Bintou und Adjoua, kann über deren Affären aber nur den
       Kopf schütteln. Aya ist nicht primär darauf aus, sich einen Mann zu angeln;
       ihr großer Traum besteht darin, Ärztin zu werden.
       
       „Aya“ ist bereits vor ein paar Jahren auf Deutsch veröffentlicht worden.
       Die Neuausgabe vereint nun alle drei Einzelbände zwischen zwei Buchdeckeln.
       Schon anlässlich des ersten Erscheinens wurde darauf hingewiesen, dass
       dieser Comic sich in erfrischender Weise von dem sonst üblichen, durch
       Katastrophen geprägten Afrikabild abhebt.
       
       ## Weder Kindersoldaten noch ethnische Konflikte
       
       In „Aya“ gibt es also weder Kindersoldaten noch ethnische Konflikte, weder
       Hungersnöte noch Korruption. Das Abidjan der späten Siebziger, das die dort
       gebürtige Marguerite Abouet schildert, ist vielmehr Schauplatz
       alltäglicher, familiärer Konflikte, die überwiegend universalen Charakter
       besitzen.
       
       Das liegt auch daran, dass Abouet sich stark am Vorbild der Soap-Opera
       orientiert. Zwar kehren bestimmte Motive wieder, dennoch wird in „Aya“
       keine zusammenhängende Geschichte erzählt. Stattdessen verknüpft Abouet
       lose Ereignisse und Konflikte, die teils aufeinander folgen, teils parallel
       laufen. Das Ende bleibt daher recht offen; es ist eher ein Innehalten als
       ein Abschluss. Alles könnte noch lange weitergehen – so wie in „Dallas“ und
       in den brasilianischen Telenovelas, zu deren begeisterten Zuschauern die
       Figuren in „Aya“ zählen.
       
       So leichthändig Abouet erzählt, so ist doch bedauerlich, dass ausgerechnet
       die Hauptfigur etwas blass bleibt. Abgesehen davon, dass sie sich
       hartnäckig dem erwarteten weiblichen Rollenverhalten verweigert, würde man
       doch gern etwas mehr über Aya erfahren. Sehr geschickt ist die Autorin
       allerdings darin, das Ernste mit dem Komischen zu verbinden. Wenn junge
       Männer auf der Straße Aya dreist anquatschen, wird die Grenze zur sexuellen
       Belästigung schnell überschritten.
       
       Die Eltern von Moussa, die in einem Art-déco-Traumhaus wohnen und arme
       Mitbürger gern verächtlich als „Bauern“ bezeichnen, verdeutlichen die Kluft
       zwischen Reich und Arm, zwischen Stadt und Land. Und Albert, der Bruder von
       Adjoua, leidet unter seinem Schwulsein, das er höchstens sich, nicht aber
       seiner strikt homophoben Umwelt eingestehen mag.
       
       In den Bildern von Clément Oubrerie dominieren Gelb-, Ocker- und Brauntöne,
       savannenhafte Farben, von denen sich die bunte Kleidung vor allem der
       weiblichen Figuren abhebt. Trotz der lockeren Strichführung ist
       unterschwellig ein Einfluss der Ligne claire zu verspüren. Moussa mit
       seinem etwas leeren Gesicht und seiner Haartolle wirkt wie ein flegelhafter
       Halbbruder von Hergés Tim. Sowohl in erzählerischer wie in zeichnerischer
       Hinsicht verbinden sich in „Aya“ Elemente unterschiedlicher Provenienz zu
       einem unterhaltsamen Ganzen.
       
       14 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Haas
       
       ## TAGS
       
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