# taz.de -- „Heartbleed“ und Kontrollverlust: Ich hasse Edward Snowden
> Jedes neue Sicherheitsleck, ob von der NSA gesteuert oder nur ein
> unschuldiger Bug, zeigt dem User allein eins: Hilflosigkeit gegenüber der
> Technik.
IMG Bild: Der hat gut lachen.
Stefan Heym beschreibt in seiner Autobiografie „Nachruf“, wie seine Frau,
Inge Heym, mit Überwachungsmaßnahmen in der DDR umzugehen pflegte. Die
Staatssicherheit hatte vorm Haus des Ehepaars, mehr zur Einschüchterung
denn zur tatsächlichen Auskundschaftung, ganz offen ein Fahrzeug mit
mehreren Spitzeln stationiert.
Inge Heym setzte kurzerhand Kaffee auf und brachte ihn raus zu den
Überwachern, die sich nervös, aber höflich bedankten und zügig abzogen. Das
Auto kam nie wieder nach Grünau. Mit einer kleinen Geste hatte Frau Heym
demonstriert, wie sich Kontrollverlust am besten überwinden lässt – mit
Selbstbewusstsein.
Die Abhöranlagen in ihrem Haus entdeckten die Heyms erst sehr viel später.
Dass sie aber schon lange davon ausgingen, jedes Gespräch werde
aufgezeichnet, beschreibt unter anderem [1][der Germanist Peter
Hutchinson], dessen erstes Interview mit Heym nicht zufällig draußen im
Garten geführt wurde.
Mit jeder neuen Enthüllung aus den Snowden-Papieren, jedem neuen
Sicherheitsleck, wie dem wiederholten millionenfachen Passwortdiebstahl
oder zuletzt dem Bekanntwerden des [2][Heartbleed-Bugs], wird uns so ein
Auto vor die Tür gestellt und wir erfahren, dass wir komplett verwanzt
sind. Immer wieder werden wir daran erinnert, dass es eine Vielzahl an
Wegen gibt, unsere private Kommunikation zu überwachen; von Geheimdiensten,
einfachen Kriminellen oder begabten Jugendlichen, die ihre Neugier und
Langeweile mit technischem Sachverstand auf einem handelsüblichen Notebook
ausleben.
## Keine Chance
Die wissen alle viel besser als ich, was auf meinen Endgeräten so passiert.
Ich könnte die Maschinen ja nicht einmal aufschrauben, wenn ich wollte.
Hinter schicken Logos sind die [3][Bauteile so miteinander verklebt], dass
der Versuch, sie sich genauer anzuschauen sie automatisch zerstören würden.
Die Software, ob proprietär oder Open Source ist ohnehin ein Buch mit
sieben Siegeln. Keine Ahnung, was da drin steht, einfach keine Ahnung.
Und dann diese ganzen Leaks, die Bugs, die Totalüberwachung – zuletzt eben
Heartbleed. Über Jahre unentdeckt, selbst vom ideellen
Gesamtsystemadministrator unbemerkt, war da ein riesiges Sicherheitsloch,
das... Ja was? Was genau macht dieser Fehler? Lesen, [4][Erklärcartoons
anschauen], wenigstens ungefähr verstehen, was da geschieht. Keine Chance –
ich brauche Hilfe.
Der Gesamtsystemadministrator, nennen wir ihn Edward Snowden, schaut
andächtig auf den Kaffee, den ich ihm gebracht habe. Ob er Stefan Heym
kennt? „Nein. Warum?“ Ach nichts; also, dieses Heartbleed, ist das schlimm?
Hat das die NSA gemacht? Was können die damit alles in Erfahrung bringen?
„Ich habe dir doch gesagt: Sie überwachen alles. Welche Teilmenge von
-Alles- dachtest du denn, sei davon ausgenommen?“ Klugscheißer. Muss ich
nun also meine Passwörter ändern oder nicht? Snowden lächelt milde: „Das
Passwort ändern sollte man sowieso dann und wann. :-)“
Ok, ich will zurück an meinen Platz, das Systemlogin ändern und dann alle
anderen Passwörter. „Das kannst du auch von hier aus machen“, sagt Snowden
und schiebt mir herausfordernd seine kabellose Tastatur rüber. Ein
spöttisches Grinsen auf den Lippen schaut er an die Decke, während ich
wütend Passwörter im Akkord eingebe. Das Alte, das Neue, das Neue
wiederholen. Das Alte, das Neue, das Neue wiederholen. Wieder und wieder.
Ich hasse Snowden. Dabei meint er es doch nur gut mit mir. Oder?
11 Apr 2014
## LINKS
DIR [1] http://stefanheym.blog.rosalux.de/2013/01/29/peter-hutchinson-die-erste-begegnung/
DIR [2] /Sicherheitsluecke-Heartbleed/!136606/
DIR [3] /Reparatur-von-Apple-Geraeten/!107434/
DIR [4] http://xkcd.com/1354/
## AUTOREN
DIR Daniél Kretschmar
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