URI: 
       # taz.de -- Generalstreik in Argentinien: Ein ganzer Tag wie Sonntagmorgen
       
       > Der Nach- und Fernverkehr liegt lahm, kaum jemand kommt zur Arbeit. Der
       > Streik gegen Inflation und für höhere Löhne war erfolgreich.
       
   IMG Bild: Ungewohntes Bild in Buenos Aires: leere Straßen. Die Menschen blieben am Donnerstag zuhause.
       
       BUENOS AIRES taz | „Was für ein Glückstag, solche Fotos kannst Du nicht oft
       machen.“ Braulio Guimarães knipst die leere Avenida 9 de Julio rauf und
       runter. Spaziert dann quer über die angeblich breiteste Straße der Welt in
       der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Vereinzelt umrunden Autos den
       Obelisken, das Wahrzeichen Argentiniens.
       
       Regierungskritische Gewerkschaften und linke Parteien hatten für Donnerstag
       zu einem eintägigen Generalstreik aufgerufen. Sie protestieren gegen die
       hohe Inflation und für eine Anhebung der Löhne und Gehälter über die
       Inflationsrate. Argentinien leidet seit Jahren unter einer enormen
       Teuerungsrate.
       
       Die Angaben darüber sind jedoch umstritten. Nach Berechnungen privater
       Institute lag die Teuerungsrate 2013 bei knapp unter 30 Prozent. Dagegen
       gab die staatliche Statistikbehörde INDEC die Inflationsrate für das
       abgelaufene Jahr mit 10,8 Prozent an. In welcher Höhe auch immer die Quote
       genau liegt: bei immer mehr Familien reicht das Einkommen nicht mehr bis
       zum Monatsende aus.
       
       Tourist Braulio aus São Paulo ist begeistert und knipst sich weiter
       Richtung Retiro. In Retiro das gleiche Motiv. Wo an normalen Werktagen
       Hunderttausende aus den Vorstadtzügen in die Stadtbusse und U-Bahne
       umsteigen oder eilig zum großen Überlandbusbahnhof marschieren, rührt sich
       an diesem Donnerstagmorgen fast nichts. Dazu gesellt sich die Stille vom
       nahen Stadtflughafen, auf dem heute niemand landet oder startet.
       
       ## Kleine Scharmützel an kurzzeitigen Blockaden
       
       Argentinien erlebte einen Generalstreik, als herrsche 24 Stunden frühester
       Sonntagmorgen. Dazu trug nicht nur bei, dass alle Busse und Bahnen in den
       Depots und Flugzeuge am Boden blieben, sondern auch, dass die aufrufenden
       regierungskritischen Gewerkschaften auf Aufmärsche oder Großkundgebungen
       verzichteten. Wer konnte, blieb zuhause.
       
       Kleine Scharmützel wurden lediglich von den kurzzeitigen Blockaden der
       großen Zufahrtsstraßen rund um die Hauptstadt gemeldet. Hier hatten bereits
       am frühen Morgen von linken Parteien und Arbeitslosenvereinigungen
       organisierte Aktivisten die bekannten Piquetes errichtet.
       
       Ein Fakt, den die Gewerkschaften zähneknirschend akzeptieren und den die
       Regierung als Steilvorlage nutzte, den Generalstreik als einen landesweiten
       Piquete zu denunzieren. Kabinettchef Jorge Capitanich gab schon am frühen
       Morgen die Richtung vor: Ein Streik sei legitim, aber das heute seien
       landesweite Piquetes, die die Menschen daran hinderten, zur Arbeit zu
       kommen.
       
       „Das ist wieder einer seiner morgendlichen Witze,“ hielt Hugo Moyano dem
       Kabinettchef entgegen. Moyano, der mächtige Vorsitzende sowohl der
       Transportarbeitergewerkschaft als auch des Dachverbandes CGT, zeigte sich
       sichtlich zufrieden. Vielerorts sei der Streikaufruf zu über 90 Prozent von
       den Arbeitern befolgt worden. Die Regierung solle zu Kenntnis nehmen, dass
       „die Bevölkerung heute ihre große Unzufriedenheit ausgedrückt hat.“
       
       Moyano, lange ein zuverlässiger Verbündeter der Kirchner-Regierungen, hatte
       sich vor einigen Jahren gegen Präsidentin Cristina Kirchner gestellt und
       damit auch die Spaltung des Gewerkschaftsdachverbandes verursacht. Nun, da
       die Präsidentin ihre letzten zwei Amtsjahre vor sich hat und der
       Kichnerismus bisher keinen überzeugenden Nachfolgekandidaten hervorgebracht
       hat, wollte Moyano zeigen, welchen Machtfaktor er in der zukünftigen
       politischen Landschaft weiterhin darstellt. Bei den jetzt anstehenden
       Lohnverhandlungen wird es aller Voraussicht nach zu einer raschen Einigung
       kommen.
       
       11 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
       ## TAGS
       
   DIR Argentinien
   DIR Cristina Kirchner
   DIR Schulden
   DIR Argentinien
   DIR Argentinien
   DIR Repsol
   DIR Dollar
   DIR Schwerpunkt Monsanto
   DIR Argentinien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Streit mit den Hedgefonds: Argentiniens Trickserei
       
       Die Regierung riskiert, dass Argentinien in den USA eine halbe Milliarde
       Dollar gepfändet wird – und hat dafür einen wirklich guten Grund.
       
   DIR Argentinien verliert vor US-Gericht: Erneut droht ein Staatsbankrott
       
       Argentiniens Regierung muss zwei Hedgefonds etwa 1,5 Milliarden Dollar
       zahlen. Jetzt könnten Finanzinvestoren das Land in die Pleite treiben.
       
   DIR Generalstreik in Argentinien: Streik gegen Stoßseufzer
       
       Wegen einer Preissteigerung von über 30 Prozent reicht für viele
       argentinische Familien das Einkommen nicht mehr. Nun gibt es einen
       Generalstreik.
       
   DIR Milliardenentschädigung von Argentinien: Repsol hofft auf Geldsegen
       
       Der Ölkonzern Repsol soll fünf Milliarden Dollar erhalten. Die Summe ist
       als Entschädigung für die Teilverstaatlichung der argentinischen
       Tochterfirma gedacht.
       
   DIR Argentinien lockert Devisenkontrolle: Alle wollen Dollar
       
       Die Regierung in Buenos Aires hat auf den Wertverlust des Pesos reagiert.
       Die Devisenkontrolle wurde aber nicht abgeschafft, sondern nur etwas
       gelockert.
       
   DIR Saatgutfabrik in Argentinien: Richter stoppen Monsantos Pläne
       
       In Argentinien probt eine Nachbarschaftsvereinigung den Aufstand gegen
       Monsanto. Nach ihrer Klage hat ein Gericht den Bau einer Saatgutfabrik des
       Konzerns blockiert.
       
   DIR Plünderungen in Argentinien: Schon elf Tote auf der Straße
       
       Die Plünderungen und Ausschreitungen in Argentinien überschatten auch die
       Feiern zum 30. Jahrstag der Rückkehr zur Demokratie.