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       # taz.de -- Kommentar Maidan-Scharfschützen: Die Details der Schuldfrage
       
       > Hätten Provokateure der damaligen Opposition auf dem Maidan geschossen,
       > wäre die Revolution nachträglich delegitimiert. Eine
       > Verschwörungstheorie?
       
   IMG Bild: Provisorische Gedenkstätte für die Toten der Maidan-Bewegung: Die Schüsse haben erst recht zur Rebellion gereizt.
       
       Scharfschützen, die in eine Menschenmenge schießen, stehen in einer
       historischen Tradition. Vor der Erfindung der Präzisionsgewehre sollten im
       ausgehenden 19. Jahrhundert anarchistische Attentate die Bevölkerungen
       Europas verunsichern und ihnen verdeutlichen: Vor diesem Staat braucht ihr
       keine Furcht zu haben. Aber die gleichen Attentate weckten oft nur die
       Abneigung gegen die Revolution.
       
       So lag es für die geheimen Polizeien nahe, Verbrechen zu begehen, um sie
       den Revolutionären in die Schuhe zu schieben, um den Hass auf sie zu
       steigern. Das funktionierte nur, solange unbekannt blieb, dass ein Agent
       Provocateur am Werk gewesen war.
       
       Auch die Scharfschützen, die die Menge auf dem Maidan in Kiew ins Visier
       nahmen, handelten im Rahmen dieser Überlegungen. Es lässt sich denken, sie
       wollten die Entschlossenheit der protestierenden Menge brechen. Damit sind
       sie offenkundig gescheitert. Die Schüsse haben erst recht zur Rebellion
       gereizt und damit zum Sieg der Revolution beigetragen; sie haben Märtyrer
       geschaffen, die von nun an der ukrainischen Nationalbewegung eine
       anrührende öffentliche Symbolik liefern.
       
       Aus dieser Perspektive sind in der Schuldfrage nur noch Details zu klären,
       wie es das ARD-Magazin „Monitor“ jetzt versucht. Gab es über die bereits
       gefundenen Verbrecher der Sondereinheit Berkut hinaus noch weitere? Fänden
       sich schuldige russische Geheimdienstler, könnten sie eingesetzt werden, um
       die ukrainische Nation gegen den Todfeind zu einen. Prinzipiell aber ist
       alles klar.
       
       Würde die entgegengesetzte Behauptung stimmen, über die „Monitor“ jetzt
       berichtet, hätten also Provokateure der damaligen Opposition auf die
       Menschenmenge geschossen, um den nationalen Hass zu steigern, wäre die
       Revolution nachträglich delegitimiert. Einer solchen Aussage könnte eine
       ukrainische Regierung niemals zustimmen.
       
       Wieder stellt sich das generelle Problem von Verschwörungstheorien. Viele
       von ihnen sind völlig abwegig; allerdings finden selbst die verrücktesten
       noch Gläubige. Andererseits gibt es ja tatsächlich Verschwörungen und
       Provokateure, so wie es auch Wirrköpfe gibt. Angesichts der jetzigen
       Konfliktlage hängt die Wahrheit von den jeweiligen politischen Sympathien
       ab. Selbst die leisesten öffentlichen oder privaten Zweifel entlarven den,
       der sie äußert.
       
       10 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erhard Stölting
       
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