URI: 
       # taz.de -- Professor über Ehrendoktor für Snowden: „Das ist kein Mediengag“
       
       > Die Uni Rostock möchte Snowden zum Ehrendoktor machen. Für den Dekan der
       > philosophischen Fakultät sind Snowdens Dokumente wissenschaftlich
       > relevant.
       
   IMG Bild: Masken hat Edward Snowden schon in Fülle. Einen Ehrendoktor noch nicht.
       
       taz: Herr Wensierski, eine Ehrendoktorwüde wird für besondere akademische
       oder wissenschaftliche Verdienste verliehen. Inwiefern sind Snowdens
       Enthüllungen wissenschaftliche Arbeit? 
       
       Hans-Jürgen von Wensierski: Der Wissenschaftsbegriff für ein
       Ehrenpromotionsverfahren ist weiter gefasst. Da werden Arbeiten um die
       Wissenschaft und für die Wissenschaft geehrt. Bundespräsident Gauck
       beispielsweise ist von der Uni Rostock für die Erschließung von besonderen
       Datenbeständen geehrt worden, für seine Arbeit um die historische
       Aufarbeitung der Stasi. Snowden hat uns auch einen ungeheuren Datensatz
       erschlossen, der für wissenschaftliche Forschungen und Untersuchungen zur
       Verfügung steht.
       
       Was kann die Wissenschaft damit anfangen? 
       
       Wenn man sich die Expertisen unserer Gutachter anguckt, dann haben die
       herausgearbeitet, in welchen Bereichen die Erkenntnisse von Snowden die
       Forschung beeinflussen. Da geht es um Menschenrechtspolitik,
       Menschenrechtsverletzung und auch um die Freiheit der Wissenschaften. Das
       beschäftigt die Politikwissenschaftler wie die Geisteswissenschafttler.
       
       Und was haben die Enthüllungen mit der Philosophischen Fakultät zu tun? 
       
       Es geht nicht nur darum, Wissen zu produzieren und Studierende auszubilden.
       Wir müssen auch an Aufklärung teilhaben, Diskussionen herbei führen. Die
       Offenlegung von Misständen, das Sensibilisieren für gesellschafliche
       Probleme, Fehlentwicklungen oder technologischer Wandel - das sind Themen,
       die auch uns als philosophische Fakultät interessieren.
       
       Warum soll der Whistleblower ausgerechnet in Rostock Ehrendoktor werden? 
       
       Früher gab es starke lokale Bezüge zu einer Universität. Im Zuge der
       Globalisierung ist das überholt. Snwoden hat ja deutlich gemacht, dass es
       keine regionalen Begrenzungen mehr gibt. In den USA sitzen irgendwelche
       Leute und hören meine Daten ab. Ein spezifischer Bezug unserer Universität
       ist auch, dass wir hier im ehemaligen Stasi-Gebäude der DDR sitzen. Es
       gehört zu unserem Selbstverständnis, dass wir uns mit dem historischen Erbe
       des Überwachungsstaates auseinander setzen.
       
       Die Verleihung der Ehrendoktorwürde musste geprüft werden. Wie lief das
       Verfahren? 
       
       Im November wurde eine Prüfkommission aus sechs Professoren und
       Mitarbeitern gebildet. Dann haben wir renommierte Sozial- und
       Geisteswissenschaftler gebeten, Gutachten zu erstellen. Die sind zehn bis
       zwanzig Seiten lang. Wir haben insgesamt 60 Seiten Gutachten - gemeinhin
       erheben wir zwei Gutachten mit je drei Seiten. Aus dem Matieral haben wir
       dann 15 Seiten Abschlussbericht erstellt und das mit unserer Empfehlung an
       den Fakultätsrat gegeben.
       
       Gibt es auch Gegner ihres Vorschlags? 
       
       Gegner hört sich jetzt so streng an. Es gibt Skeptiker und Kritiker. Manche
       Kollegen zweifeln die Frage mit der Wissenschaftlichkeit an. Die Gutachten
       gehen aber explizit auf diese Frage ein. Bei vielen gibt es auch ein
       Bauchgefühl, die sind instinktiv skeptisch: Soll eine wissenschafliche
       Fakultät sich in eine politische Diskussion einsteigen?
       
       Der Fakultätsrat muss mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen. Wie rechnen
       sie die Chancen aus, dass ihr Antrag angenommen wird? 
       
       Wir brauchen von 22 Stimmen mindestens 17 Stimmen. Das ist eine hohe Hürde,
       die die Promotionsordnung vorsieht. Wenn ich optimistich bin, würde ich
       sagen fifty-fifty. Wenn zwei Leute fehlen und drei quengeln rum, dann
       klappt es schon nicht. Ich bin aber optimistisch. Wir haben ein hohes Maß
       an wissenschaftlicher, ernsthafter Expertise. Viele dachten, das ist jetzt
       so ein Mediengag.
       
       Was passiert, wenn die Mehrheit ihrem Anliegen zustimmt? 
       
       Dann würden wir morgen beschließen, das Ehrenpromotionsverfahren offiziell
       zu eröffnen. Dann müssen wir uns noch rückversichern, ob das auch in Herrn
       Snwodens Sinne ist. Noch haben wir keine Rückmeldung von ihm, wir wollten
       jetzt nicht vorher auf Verdacht fragen.
       
       In der Regel hält der Geehrte auf der Verleihung eine Laudatio. Wie wollen
       Sie das machen? 
       
       Ja, aber oft hält das auch jemand Drittes über den zu Ehrenden und dann
       gibt es eine Dankesrede des Geehrten, in der er über sein Lebenswerk oder
       seine Arbeit spricht. Tatsächlich sieht es nicht danach aus, dass Herr
       Snowden nach Rostock reist und hier die Auszeichnung annimmt. Es gibt die
       Möglichkeit, dass Verwandte oder enge Kollegen die Ehrung stellvertretend
       in Empfang nehmen.
       
       9 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
       ## TAGS
       
   DIR Ehrendoktor
   DIR Universität
   DIR Edward Snowden
   DIR Wissenschaft
   DIR Whistleblower
   DIR Edward Snowden
   DIR Edward Snowden
   DIR Heartbleed
   DIR Edward Snowden
   DIR Annette Schavan
   DIR Datenschutz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Geheimdienst-Enthüller Snowden: Ehren für Edward
       
       Jetzt also doch: Edward Snowden soll die Ehrendoktorwürde der Uni Rostock
       erhalten. Auch die FU Berlin will den Whistleblower auszeichnen.
       
   DIR Kommentar Pulitzer-Preis: Ein Gewinn für die Pressefreiheit
       
       Edward Snowden hat in Kauf genommen, als Staatsfeind zu gelten. Dieser Mut
       wird jetzt belohnt. Doch der Preis ist auch ein Zeichen gegen Obama.
       
   DIR „Heartbleed“ und Kontrollverlust: Ich hasse Edward Snowden
       
       Jedes neue Sicherheitsleck, ob von der NSA gesteuert oder nur ein
       unschuldiger Bug, zeigt dem User allein eins: Hilflosigkeit gegenüber der
       Technik.
       
   DIR Ehrendoktor für Snowden: Das Verfahren ist eröffnet
       
       Edward Snowden soll Ehrendoktor werden. Die philosophische Fakultät der
       Universität Rostock will ihm die Würde im Sommer verleihen.
       
   DIR Ehrendoktorwürde für Schavan: Trostpflaster für die Plagiatorin
       
       Annette Schavan hat ihren Doktortitel verloren. Doch schon winkt ein neuer.
       Die Universität Lübeck will ihr nach wie vor die Ehrendoktorwürde
       verleihen.
       
   DIR Datenschutz und Geheimdienste: „Bringschuld“ des Staates
       
       Peter Schaar fordert mehr Kontrolle der Geheimdienste. Und Edward Snowden
       bekommt Ehrendoktorwürde der Uni Rostock.
       
   DIR Uni Lübeck will Schavan auszeichnen: Ehrung mit Geschmäckle
       
       Lübecks Uni will die Bundesbildungsministerin auszeichnen. SPD-Politiker
       erkennen darin Wahlkampf. Die Geehrte selbst will nun ein Jahr warten.