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       # taz.de -- Tagung des UN-Klimarats: Therapie Kohlenstoffdiät
       
       > Die weltweite Energieversorgung muss schnell und gründlich umgebaut
       > werden. Ob das geschieht, wird in den Schwellenländern entschieden.
       
   IMG Bild: Kohleabbau in China.
       
       BERLIN taz | Drinnen die Theorie, draußen die Praxis: Ab Montag beraten
       Hunderte von Wissenschaftler des UN-Klimarats IPCC im Berliner
       Konferenzhotel Estrel mit den Delegationen der UN-Mitgliedsstaaten über
       ihren Abschlussbericht zum Klimaschutz. Zehn Kilometer weiter, im
       Regierungsviertel, zeigen in dieser Woche die deutsche Regierung und die
       EU-Kommission bei der Entscheidung über die Zukunft des
       Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), wie Klimapolitik im Klein-Klein des
       politischen Alltags ankommt.
       
       Dabei sehen die über 200 Wissenschaftler, die in der Arbeitsgruppe III des
       IPCC gearbeitet haben, aus den Estrel-Fenstern ein Land, das seine
       Energiewirtschaft durchaus nach ihren Vorstellungen umbaut. Denn um den
       Klimawandel noch halbwegs in Grenzen zu halten, fordern die Forscher
       „Veränderungen des globalen Energiesystems in großem Maßstab und
       Einschnitte bei den Emissionen von Treibhausgasen“. So steht es in dem
       internen Entwurf der Arbeitsgruppe, der ab Montag in Berlin verhandelt wird
       und der taz vorliegt.
       
       Die Zukunftsvision der Forscher ähnelt der deutschen Energiewende: kräftige
       Reduzierung der Treibhausgasemissionen, massiver Ausbau der erneuerbaren
       Energien, Skepsis gegenüber Atomkraft als Allheilmittel und eine vage
       Hoffnung auf „saubere Kohle“, deren Klimagase mittels CCS-Technik unter der
       Erde eingelagert werden sollen. Allerdings stellen sich die Klimaexperten
       auch vor, dass die Länder ihre CO2-Emissionen aus Kohle, Öl und Gas
       „zwischen 40 und 70 Prozent bis 2050 reduzieren“ – während die Emissionen
       aus den Kohlekraftwerken in Deutschland wieder ansteigen.
       
       Doch so wichtig die Industrieländer sind – der Berichtsentwurf macht
       deutlich, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht hier entschieden wird,
       sondern in Schwellenländern wie China oder Indien und in den Megastädten
       Afrikas und Asiens. Denn der weltweite CO2-Ausstoß hat durch neue Fabriken,
       Autos und Kraftwerke dort immer mehr zugelegt: Pro Jahr stieg die
       Abgasfahne von 2000 bis 2010 um 2,2 Prozent jährlich, auf 49 Milliarden
       Tonnen CO2 2010. Dabei sind „das Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung
       Haupttreiber für den wachsenden CO2-Ausstoß“.
       
       Dieses Wachstum frisst alle Gewinne durch effizientere Technik. Und weil
       weltweit wieder mehr Kohle verbrannt wird, steigen die Emissionen in
       schwindelnde Höhen: Bis 2050 werde sich „ohne neue Klimaschutzmaßnahmen“
       der Treibhausgasausstoß aus Kraftwerken, der Industrie, dem Bausektor und
       dem Verkehr jeweils etwa verdoppeln.
       
       ## Entwaldung geht zurück
       
       Bis 2100 heizt sich die Erdatmosphäre deswegen um 2,5 bis 5 Grad im
       Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf, sagen die Forscher je nach
       Prognose voraus. Für eine ordentliche Chance, unter den 2 Grad zu bleiben,
       die als noch beherrschbar gelten, müsste sich „bis 2050 der Anteil der
       Energieversorgung ohne oder mit geringem CO2-Ausstoß wie Erneuerbare,
       Atomkraft oder CCS verdrei- bis vervierfachen“.
       
       Hoffnung macht, dass die Forscher davon ausgehen, dass die Entwaldung in
       den Tropenländern bis Mitte des Jahrhunderts zurückgeht und die Wälder
       wieder mehr Kohlenstoff speichern als freisetzen. Vor allem setzt der
       Bericht große Hoffnung in die schnell wachsenden erneuerbaren Energien, die
       „substanzielle Fortschritte bei Leistung und Kosten gemacht haben“ und
       teilweise „technologisch und ökonomisch ihre Reife erreicht haben“. Bei den
       anderen CO2-freien Techniken dagegen warnen die Forscher vor blinder
       Begeisterung: Atomkraft berge Probleme bei Sicherheit, Entsorgung und
       Finanzierbarkeit. CCS wiederum sei technisch und wirtschaftlich noch voller
       Fragezeichen.
       
       Ein Schwerpunkt der Berichts ist die Ökonomie des Klimawandels. So rechnen
       die meisten Szenarien damit, dass ernsthafter Klimaschutz bis 2100 zwischen
       2 und 12 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung kostet – allerdings ohne
       den Nutzen dieser Kalkulation durch vermiedene Schäden oder bessere
       Gesundheit zu bestimmen. Für effektiven Klimaschutz müssten pro Jahr
       „Hunderte von Milliarden Dollar“ aus den Industriestaaten in die
       Schwellenländer fließen. Strenge Klimapolitik „kann Vermögenswerte der
       Länder entwerten,die fossile Brennstoffe exportieren“. Also: Kohleländer
       verlieren, Gas- und Ölländer könnten gewinnen.
       
       Wer möchte, findet im Text auch einen Kommentar zur deutschen Debatte über
       die Kosten der Energiewende: Jede Verzögerung beim Klimaschutz, so der
       IPCC, mache ehrgeizige Ziele schwieriger – und bringe langfristig deutlich
       höhere Kosten.
       
       7 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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