URI: 
       # taz.de -- Klimaschutz: Vattenfall fehlt die Energie
       
       > 2009 schloss der Berliner Senat eine Klimaschutzvereinbarung mit dem
       > Vattenfall-Konzern. Doch der Energieversorger zeigt bei der Umsetzung
       > wenig Engagement.
       
   IMG Bild: Noch so ein Klimakiller von Vattenfall, südöstlich von Berlin: das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde
       
       Meint es der Senat eigentlich ernst mit dem Klimaschutz? „Im Prinzip ja“,
       müsste die Antwort lauten – also irgendwie nicht so richtig. Das kann man
       aus der bisher unveröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung auf eine schriftliche Anfrage des Grünen-Abgeordneten
       Michael Schäfer schließen, die der taz vorliegt. Schäfer wollte
       herausfinden, wie es um die Klimaschutzvereinbarung bestellt ist, die das
       Land im Oktober 2009 mit dem Energiekonzern Vattenfall geschlossen hat.
       Damals setzten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Tuomo
       Hatakka, Chef der Vattenfall Europe AG, ihre Unterschriften unter ein
       Papier, dessen Wert nun in Frage steht.
       
       Das Ziel: die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes durch Vattenfalls Strom-
       und Wärmeerzeugung um gut 50 Prozent bis 2020 – freilich in Bezug auf das
       Basisjahr 1990. Vor allem durch die Sanierung der energetischen
       Infrastruktur im Osten der Stadt war der damalige Wert von 13,3 Millionen
       Tonnen CO2 längst drastisch gesunken, auf im Schnitt 7,5 Millionen Tonnen
       in den Jahren 2006–2008. Laut Vereinbarung soll die ausgestoßene Menge bis
       2020 bis auf 6,4 Millionen Tonnen im Jahr sinken. Die Maßnahmen, die
       Vattenfall dafür ergreifen will, beinhalten den Ersatz alter Kraftwerke
       durch effizientere Anlagen, den Ausbau des Fernwärmenetzes und die Erhöhung
       des Anteils von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).
       
       ## Verschlechterte Bilanz
       
       Aus der Antwort von Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) auf Schäfers
       Anfrage geht freilich hervor, dass Vattenfall im Jahr 2012 – neuere Zahlen
       gibt es nicht – 7,1 Millionen Tonnen CO2 in die Luft gepustet hat.
       Verglichen mit 2009, als die Klimaschutzvereinbarung entstand, ist das
       keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung, nämlich ein Zuwachs um
       0,2 Millionen Tonnen.
       
       Und damit nicht genug. Der grüne Energieexperte mag nicht glauben, was
       Gaebler schreibt: Weder kennt die Senatsverwaltung Zahlen zum Wirkungsgrad
       und zur Betriebsdauer der drei ineffizientesten Kraft- und Heizwerke –
       Klingenberg, Reuter C, Lichtenberg –, noch kann sie angeben, welche
       konkreten Ersatzmaßnahmen Vattenfall für diese CO2-Schleudern plant.
       
       Was das Steinkohlekraftwerk Reuter C in Siemensstadt betrifft, weiß man in
       der Senatsverwaltung nur, dass bei Vattenfall „im Rahmen einer
       Gesamtsystemanalyse derzeit mehrere Ersatzvarianten erarbeitet und
       miteinander verglichen“ werden. Schäfer ist entsetzt: „Zu diesem Zeitpunkt
       kann man doch nicht mehr bloß Szenarien prüfen“, meint er.
       
       Zumal auch die Planungen für zwei Gas-und-Dampf-Kraftwerke (GuD) in
       Rummelsburg und Marzahn nicht voranzukommen scheinen. Vattenfall habe in
       den vergangenen Monaten „seine Absicht bekräftigt“, heißt es in der Antwort
       auf die schriftliche Anfrage, an diesen Standorten „einen entsprechenden
       Ersatz für das bestehende Heizkraftwerk Klingenberg bis 2020 zu errichten“.
       Zumindest für Rummelsburg gebe es freilich noch keine rechtskräftige
       Genehmigung vom Landesamt für technische Sicherheit (LAGetSi) und auch
       keinen Bebauungsplan.
       
       ## Gibt Vattenfall auf?
       
       Aber die Befürchtungen Schäfers reichen noch weiter: Er frage sich, ob
       Vattenfall diese Kraftwerke überhaupt bauen werde. Schließlich gebe es
       Anzeichen dafür, dass sich der schwedische Staatskonzern in naher Zukunft
       aus Deutschland zurückziehe. Dazu hatte Harald Wolf (Linkspartei),
       ehemaliger Wirtschaftssenator und Energie-Experte seiner Fraktion, im
       Dezember im RBB erklärt, er erkenne konkrete Vorbereitungen eines Verkaufs
       der regionalen Konzerntochter. Ein schwedischer Minister hatte kurz zuvor
       den Einstieg in den deutschen Markt als „Fehler“ bezeichnet und davon
       gesprochen, der Konzern verkaufe „vielleicht“ nach den Parlamentswahlen im
       September.
       
       Nur noch „symptomatisch“ findet Schäfer da, wie Senat und Vattenfall in
       einem konkreten Punkt die eigene Vereinbarung gleich ganz ausgehebelt
       haben: Alle zwei Jahre sollten unabhängige Gutachter die Umsetzung der
       Klimaschutzvereinbarung unter die Lupe nehmen und einen Bericht vorlegen.
       Nichts da: Erst im Oktober dieses Jahres – also nach fünf Jahren – soll der
       erste Zwischenbericht präsentiert werden.
       
       Fragt man bei Vattenfall nach, heißt es, man befinde sich durchaus im Plan.
       Der neuerliche Anstieg der Emissionen sei nichts Außergewöhnliches, sondern
       witterungsbedingt. Tatsächlich kommt es beim CO2-Ausstoß immer sehr darauf
       an, wie kalt der Winter ausfällt. Allerdings stiegen die Emissionen laut
       Michael Schäfer auch von 2011 auf 2012, während der Ausstoß bundesweit
       konstant geblieben sei.
       
       Sogenannte Klimaschutzvereinbarungen hat der Senat zwischen 2007 und 2011
       mit zehn öffentlichen und privaten Unternehmen geschlossen, darunter die
       Freie Universität, die Vivantes GmbH und die Zoo AG. Die erste Vereinbarung
       wurde 2007 mit den Stadtreinigungsbetrieben (BSR) unterzeichnet. Laut Senat
       übertrafen diese das angestrebte CO2-Reduktionsziel von 130.000 Tonnen
       sogar um 9.000 Tonnen – und unterzeichneten im Jahr 2011 eine
       Folgevereinbarung bis 2015.
       
       7 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
   DIR Umweltschutz
   DIR Energie
   DIR Klima
   DIR CO2
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Vattenfall
   DIR Braunkohle
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vattenfall-AKWs in Deutschland: Schweden haftet nicht mehr
       
       Nach einer Umstrukturierung ist der schwedische Staatskonzern Vattenfall
       nicht mehr für die Risiken seiner deutschen AKWs verantwortlich.
       
   DIR Braunkohletagebau in der Oberlausitz: Die Spinner
       
       1.500 Menschen wären von Nochten II betroffen. „Wir wollen nicht
       weggebaggert werden“, sagen die Gegner. Die Mehrheit schweigt.
       
   DIR Braunkohle in Brandenburg: Gebräuntes Grundwasser
       
       Brandenburg und die Bundesregierung setzen auf Braunkohle. Greenpeace warnt
       nun vor Umweltgefahren, wie sie im Spreewald schon zu sehen sind.
       
   DIR Energie: Vattenfall wird weich
       
       Der Stromkonzern wäre auch mit einer Partnerschaft zufrieden. Derweil
       streitet die Koalition über mehr Geld für das künftige Stadtwerk.
       
   DIR Interview mit Chef Berlin Energie: „Was wir machen, ist kein Teufelszeug“
       
       Hohe Gewinne für die Stadt und die Umsetzung der Energiewende: Der Chef von
       Berlin Energie, Wolfgang Neldner, will das Gas- und Stromnetz in Landeshand
       holen - ohne Deal mit Vattenfall.