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       # taz.de -- Ungarn bleibt rechts-nationalistisch: Wenn ein Staat zur Beute wird
       
       > Die rechtsnationale Fidesz-Partei unter Viktor Orbán wird die Wahl erneut
       > haushoch gewinnen. Dafür hat sie auf allerlei Weise mit Erfolg gesorgt.
       
   IMG Bild: Fahnenschwenkende Menschen bei der Abschlusskundgebung von Fidesz in Budapest.
       
       WIEN taz | Ungarns Premier Viktor Orbán überlässt nichts dem Zufall. Für
       seine Abschlusskundgebung am Budapester Heldenplatz ließ er am Samstag
       Menschen aus allen Landesteilen mit 400 Sonderbussen herbeikarren. Auf
       460.000 schwoll die Menge nach offiziellen Angaben an. Auch wenn es nur
       halb so viele gewesen sein mögen. Es bestehen kaum Zweifel, dass die
       Herrschaft von Orbán und seiner rechtsnationalistischen Fidesz um vier
       Jahre verlängert wird, wenn das Wahlvolk am 6. April zur Urne schreitet.
       
       Die Medien spekulieren vor allem über die Frage, ob die Regierungspartei
       sich wieder eine Zweidrittelmehrheit sichern kann. Das neue Wahlgesetz
       macht es möglich, dass dafür schon 42 Prozent der gültigen Stimmen reichen.
       
       Die Verkleinerung des Parlaments von 386 auf 199 Abgeordnete erfolgte
       einstimmig. Aber die anderen Veränderungen der Spielregeln wurden gegen die
       Stimmen der Opposition beschlossen. 106 Sitze werden über Einerwahlkreise
       vergeben, die mit einfacher Mehrheit an den stärksten Kandidaten fallen.
       Eine Stichwahl, die flexible Koalitionen zugelassen hatte, gibt es nicht
       mehr. Eine zweite Stimme kann für Parteien oder Listen abgegeben werden.
       
       Insgesamt 18 Parteien stehen auf dem Stimmzettel. Aber eine Hürde von fünf
       Prozent verhindert, dass kleine Gruppierungen ins Parlament kommen.
       Zweierkoalitionen brauchen zehn Prozent. Allianzen von drei oder mehr
       Parteien müssen mindestens 15 Prozent der Zweitstimmen bekommen.
       
       ## Wahlschlager war die Senkung der Wohnnebenkosten
       
       Die Opposition ist geschwächt und hat weder eine einfache Botschaft noch
       ein zündendes Programm, um die WählerInnen zu überzeugen. Das von der
       Sozialistischen Partei (MSZP) angeführte Bündnis „Regierungswechsel“
       vereint fünf Parteien, von denen zumindest drei von rivalisierenden
       Alphatieren angeführt werden. Orbán wirbt mit dem Wohlfühlslogan „Ungarn
       geht’s besser!“, den die Regierung schon in einer teuren Kampagne
       eingeführt hat. Auch sein Kommunikationschef Ferenc Kumin gibt zu, dass das
       Wahlprogramm des Premiers bescheiden ist: „Wir machen weiter“, sagt er.
       
       Auch die rechtsextreme Jobbik verzichtet diesmal auf rassistische Sprüche
       und wirbt mit den Gesichtern bieder lächelnder Menschen. Sie punktet auch
       mit dem schwer zu widerlegenden Vorwurf: „Fidesz stiehlt“. Der Wirtschaft
       gehe es deswegen so schlecht, weil die öffentlichen Gelder wundersamerweise
       immer bei denselben Firmen landen. So kommt der Baukonzern Közgép bevorzugt
       bei öffentlichen Aufträgen zum Zug, manchmal ohne Ausschreibung. Er gehört
       dem ehemaligen Finanzamtschef und Orbáns Schulfreund Lajos Simicska, einem
       der reichsten Oligarchen des Landes.
       
       Auch die Neuvergabe der Lizenzen für Tabakläden hat zu einer Konzentration
       von lukrativen Geschäften in den Händen weniger Fidesz-naher Unternehmer
       und Politiker geführt. Der Entwurf für das Gesetz wurde auf einem Laptop
       des Continental-Konzerns des regierungsnahen Tabaklobbyisten János Sánta
       geschrieben, wie Staatssekretär János Lázár bei einer parlamentarischen
       Anfrage zugeben musste.
       
       ## Verunsicherte Unternehmer
       
       Der große Wahlschlager ist die zweimalige Senkung der Wohnnebenkosten um je
       zehn Prozent. Die Energiekonzerne und andere Dienstleistungsunternehmen
       wurden gezwungen, ihre Tarife anzupassen. Auch die Sondersteuer für Banken,
       Energiekonzerne und Supermarktketten, mit denen Orbán vor allem
       ausländische Investoren schröpft, kommen in der Bevölkerung gut an.
       
       Allerdings haben sie ein Klima geschaffen, das Unternehmer verunsichert,
       wie der Wirtschaftsexperte Csaba Kakosy, Kurzzeitminister unter der
       sozialliberalen Regierung 2007, meint: „Orbán kann sich jeden Tag etwas
       Neues einfallen lassen“, um zu Geld zu kommen. Bei öffentlichen
       Beschaffungen kämen immer nur die Regierungsfreunde zum Zug.
       
       In den meisten ungarischen Haushalten kommen kritische Kommentare nicht an.
       Die wenigen Medien, die noch nicht auf Regierungslinie gebracht wurden,
       werden nur von jenen wahrgenommen, die ohnehin die Opposition wählen. Eine
       Fernsehdiskussion mit Attila Mesterházy, dem Spitzenkandidaten des
       Bündnisses „Regierungswechsel“ hat Orbán abgelehnt, der sei für ihn „kein
       Gegner“.
       
       1 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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