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       # taz.de -- Kommentar Tarifverhandlungen: Bei denen holen, die es haben
       
       > Die Klagen der Kämmerer über leere Kassen sind berechtigt – aber sie
       > haben den falschen Adressaten. Die Gewerkschaften sind unschuldig.
       
   IMG Bild: Es sind nicht die Bus- und Bahnfahrer, die verantwortlich dafür sind, dass die Lage so mies ist.
       
       Die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst bietet einigen
       Erkenntnisgewinn. Denn dass wegen der Warnstreiks Busse und Bahnen nicht
       fuhren, zwang dazu, auf alternative Fortbewegungsmittel zurückzugreifen. So
       erlebten etliche per pedes oder mit dem Fahrrad ganz unmittelbar ihre
       Stadt: Es gibt Schöneres, als über marode Straßen an für immer
       geschlossenen Schwimmbädern und Bibliotheken vorbeizufahren. Letzte
       Zweifel, in welch traurigem Zustand sich insbesondere die Kommunen im
       Ruhrgebiet befinden, dürften beseitigt worden sein.
       
       Anders als im Bund sind die Klagen der Kämmerer über leere Kassen
       berechtigt. Aber sie haben den falschen Adressaten. Es sind nicht die Bus-
       und Bahnfahrer, die Kitaerzieherinnen oder Müllwerker, die verantwortlich
       dafür sind, dass die Lage so mies ist. Es sind auch nicht die
       Gewerkschaften. Ganz im Gegenteil: Für den Sockelbetrag, den Verdi jetzt
       für alle öffentlich Bediensteten durchsetzen will, hätte man schon letztes
       Mal entschlossener kämpfen müssen.
       
       Doch bei der Tarifrunde vor zwei Jahren fehlte dazu der Mut oder der Wille.
       Die Gewerkschaft gab sich mit einem Prozentabschluss zufrieden, der sie
       gerade noch das Gesicht wahren ließ, der aber das Problem aller
       Prozentabschlüsse hat: Von ihm profitieren die am meisten, die ohnehin
       schon mehr haben. Eine pauschale Tariferhöhung um 100 Euro bedeutet
       hingegen eine spürbare Verbesserung für diejenigen, die es am nötigsten
       haben. Falls es wieder keine gibt, wird die Enttäuschung zu Recht groß
       sein.
       
       Hauptgrund der Krise der kommunalen Kassen sind die drastischen
       Einnahmerückgänge, verursacht durch die Steuersenkungsideologie, die das
       Regierungshandeln der letzten 15 Jahre bestimmt hat. Ob unter Rot-Grün,
       Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb: Systematisch wurden die Städte und Gemeinden
       ausgeblutet. Deswegen sollten die Kämmerer ihre Klagen an denjenigen
       richten, der mit ihnen bei den Tarifverhandlungen auf derselben Seite des
       Verhandlungstischs sitzt: an den Vertreter der Bundesregierung.
       
       Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Große Koalition nur einen Bruchteil
       der kommunalen Mindereinnahmen kompensieren würde. Dafür ist kein Geld da?
       Doch, das ist es. Der Staat müsste es sich nur bei denen holen, die es
       haben. Wer aber über Steuererhöhungen nicht reden will, soll nicht die
       Gewerkschaften zur Mäßigung aufrufen.
       
       31 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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