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       # taz.de -- S04-Mannschaftsarzt über Verletzungen: „Wir müssen anders trainieren“
       
       > Schalkes Mannschaftsarzt Dr. Thorsten Rarreck hat gerade viel zu tun.
       > Weil die Belastung für die Spieler größer geworden ist, fordert er einen
       > Paradigmenwechsel.
       
   IMG Bild: Julian Draxler, eines der vielen Sorgenkinder von Thorsten Rarreck
       
       taz: Bei Schalke sind momentan zehn Spieler verletzt, da haben sie
       wahrscheinlich alle Hände voll zu tun? 
       
       Dr. Thorsten Rarreck: Das stimmt. Das ist nicht wenig. Vor allem gilt es,
       bei allen Spielern regelmäßig zu überprüfen, wie weit sie in ihrer
       Rehabilitation fortgeschritten sind. Es ist immer verlockend, einen Spieler
       einzusetzen, der sich einigermaßen gut fühlt. Ich muss aber genau prüfen,
       ob er wirklich bereit ist, weil er sonst nach zehn Tagen wieder ausfällt,
       da er sich länger hätte schonen müssen.
       
       Wie können Sie eine schnelle und zugleich erfolgreiche Genesung
       gewährleisten? 
       
       Das Wichtigste ist die Erstversorgung: mit Schonung, Eis, Kompression und
       Hochlagerung. Gerade bei Faserrissen oder Gelenkverletzungen ist es sehr
       wichtig, dass in der ersten halben Stunde alles richtig gemacht wird. Eine
       gute Erstversorgung kann die Heilzeit um zwei Wochen verkürzen. Dann sollte
       schnell eine exakte Diagnose gestellt werden, um möglichst früh geeignete
       Therapiemaßnahmen einzuleiten. Wichtig ist auch eine gute Ernährung und das
       Gespräch mit dem Verletzten, bei dem er dazu motiviert wird, die
       Aufbauphase mitzutragen und für seine Genesung zu arbeiten.
       
       Wie bedeutsam ist denn diese mentale Unterstützung? 
       
       Sie ist extrem wichtig, aber nicht nur in der Verletzungsphase. Ich arbeite
       bereits seit 20 Jahren mit Profifußballern und beobachte einen zunehmenden
       Druck, der auf den Spielern lastet. Zum Beispiel können sich die Spieler
       direkt nach einem Spiel die Bewertung ihrer Leistung im Internet angucken
       und bekommen haarklein ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen aufgezeigt.
       Trotzdem schauen sich viele das an, einmal aus Eitelkeit, aber auch, um den
       eigenen Markt- und Stellenwert abzufragen. Das führt zu einer höheren
       Anspannung. In diesem Zuge ist Mentalcoaching und ein Coaching im Umgang
       mit den Medien enorm wichtig, um diese Spannung, die verletzungsfördernd
       wirkt, zu senken.
       
       Welche Möglichkeiten haben Sie denn generell, um Verletzungen vorzubeugen? 
       
       Da gibt es die großen Vier, wie ich sie nenne. Da haben wir zum einen die
       richtige Ernährung und gegebenenfalls Mikronährstoffversorgung und
       Laboranalyse. Dann das Herzstück: ein ausgewogenes Training, bei dem die
       fünf motorischen Hauptbeanspruchungsformen, Kraft, Schnelligkeit,
       Dehnbarkeit, Ausdauer und Koordination gleichermaßen trainiert werden. Als
       Drittes Stärkung der Psyche, damit diese in der Lage ist, den einwirkenden
       Stress zu verarbeiten. Und als Viertes die Regenerationsphase, in welcher
       die Spieler darauf achten müssen, keinen Alkohol zu sich zu nehmen und das
       richtige Verhältnis von Wach- und Schlafphase einzuhalten. Ich versuche das
       Zusammenspiel dieser vier Elemente bei uns zu perfektionieren.
       
       Wie kommt es, dass sich trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen in letzter Zeit
       dennoch die Verletzungen bei Schalke ähnlich wie bei Dortmund und dem HSV
       so gehäuft haben? 
       
       Das hängt damit zusammen, dass in den letzten Jahren im Profifußball
       eindeutig messbar die Geschwindigkeit, die geforderte Athletik und die
       Intensität der Zweikämpfe zugenommen haben. Die Spieler laufen mehr als 50
       Kilometer in der Woche, das führt zu einer höheren Zahl von Knie-,
       Knöchel-, Muskel-, aber auch Kopfverletzungen. Außerdem kommen dazu noch
       Überlastungsschäden, vor allem bei Mannschaften, die mit Doppelbelastung
       spielen, so wie Dortmund oder Schalke.
       
       Manche Verantwortlichen scheinen aber ihre Trainingsmethoden nicht den von
       Ihnen beschriebenen veränderten Anforderungen an den Körper anzupassen. 
       
       Ja, wir brauchen allgemein gesprochen einen Paradigmenwechsel im Sport. Wir
       müssen anders trainieren. Aber auch die Spieler sollten an ihren
       Schwachstellen arbeiten. Ein Spieler wie Cristiano Ronaldo, der so gut wie
       nie verletzt ist, beschäftigt zusätzlich zu den Vereinstrainern privat noch
       Leute, die sich um seine Fitness kümmern. Das Geld und die Zeit, um sich
       mit einem Personal-Trainer um ein ganzheitliches Training zu bemühen,
       hätten die Profispieler.
       
       28 Mar 2014
       
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