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       # taz.de -- Reaktionen Russlands auf Sanktionen: 70 Milliarden Dollar auf der Flucht
       
       > Aus Angst vor noch schärferen Sanktionen schaffen viele Unternehmer ihr
       > Geld außer Landes. Sie fürchten weitere Maßnahmen gegen Banken.
       
   IMG Bild: Als die USA Sanktionen gegen die Bank Rossija verhängten, gab sich Putin gelassen – und kündigte an, dort ein Konto zu eröffnen
       
       MOSKAU taz | Für gewöhnlich strotzen Vertreter deutscher Unternehmen in
       Russland vor Zuversicht und Selbstbewusstsein. Aber diesmal war niemand in
       Sektlaune auf der Mitgliederversammlung der deutsch russischen
       Außenhandelskammer AHK am Dienstag in Moskau.
       
       AHK Vorsitzender Michael Harms versuchte zu beruhigen: Die russische Seite
       habe zugesichert, auch im Falle verschärfter Sanktionen kein Firmenvermögen
       zu konfiszieren. Doch wer würde dafür noch die Hand ins Feuer legen?
       
       Offiziell warten die Wirtschaftsvertreter noch ab. Hinter vorgehaltener
       Hand war jedoch zu erfahren, dass Firmen bereits Gelder außer Landes
       schaffen, die ursprünglich reinvestiert werden sollten. „Viele Unternehmen
       haben Profite in Russland gelassen, um ihre Wachstumsvorhaben zu
       finanzieren. Hat das Geld erst mal das Land verlassen, ist es sehr schwer,
       es wieder zurückzubringen“, hieß es dazu von der Unternehmensberatung KPMG.
       
       Die Direktinvestitionen dürften in diesem Jahr deutlich zurückgehen.
       Russlands Vizewirtschaftsminister Andrej Klepatsch hat bereits eingeräumt,
       dass die Kapitalflucht im ersten Quartal 2014 mit 70 Milliarden Dollar die
       gesamte Summe des Vorjahres übertreffe. Dabei haben die Sanktionen der USA
       und der EU die Wirtschaft noch nicht direkt getroffen oder deren Folgen
       sind noch nicht zu spüren.
       
       ## „Persönlicher Gruß Obamas an Putin“
       
       Die erste Stufe der Sanktionen seitens der USA und der EU schätzte Moskau
       noch als symbolischen Akt ein. Als Ende der Woche die USA Sanktionen gegen
       die Bank Rossija verhängten, gab sich Präsident Putin gelassen: Er kündigte
       an, bei dieser Bank nun ein Konto zu eröffnen. Aber dieser „persönliche
       Gruß Obamas an Putin“, wie ihn der Kommersant nannte, dürfte im Umfeld des
       Kremlchefs für Irritation gesorgt haben. Bereits am Freitag wurden die
       Kreditkarten der Bank Rossija und drei weiterer mit dem Bankhaus
       verflochtener Institute nicht mehr bedient.
       
       Das US-Finanzministerium begründete den Sanktionsbeschluss mit dem Hinweis,
       Rossija sei eine „persönliche Bank ranghoher offizieller Vertreter
       Russlands“ und deren Aktionäre gehörten zum inneren Kreis Putins und dessen
       Kooperative Osero, einer Datschasiedlung vor den Toren Sankt Petersburgs.
       Deren Mitglieder teilten das russische Nationalvermögen untereinander auf
       und stiegen unter Putin zu den reichsten Oligarchen auf.
       
       Jurij Kowaltschuk ist größter Aktionär der Bank Rossija und „Putins
       Kassenwart“, mutmaßten die Amerikaner. Die Mitglieder der Kooperative
       dürfen nun nicht mehr in die USA reisen. Ihre Konten wurden auch bei
       ausländischen Filialen von US-Banken eingefroren.
       
       Kowaltschuk sprach davon, dass etwa ein Fünftel des Rossija-Bankverkehrs
       davon betroffen sei. Ins Fadenkreuz der USA geriet auch Putin-Freund
       Gennadi Timtschenko, der Anteilseigner des mit 93 Milliarden Dollar Umsatz
       drittgrößten Rohstoffhändlers der Welt, Gunvor. Auch an dem in Genf
       sitzenden Unternehmen sei Putin beteiligt, behaupten die USA. Timtschenko
       verkaufte noch am selben Tag seine Anteile, um möglichen Sanktionen
       vorzubeugen.
       
       In Russland nehmen die Befürchtungen zu, dass auch andere größere Banken
       auf die schwarze Liste gelangen könnten. Die Sanktionen gegen den inneren
       Zirkel Putins lassen vermuten, dass die USA mit „Transparenz“ auf das
       bislang unbekannte Geschäftsgebaren des Kremlchefs hinweisen wollen.
       
       Gastredner auf der AHK-Versammlung war Gernot Erler, der Koordinator der
       Russlandpolitik der Bundesregierung. Er zog nach zweitägigen Gesprächen in
       Moskau das Fazit: Die russische Seite hätte nicht damit gerechnet, dass der
       Westen mit Sanktionen an einem Strang ziehen würde. Auch sei das Risiko der
       Selbstisolation dem offiziellen Moskau noch nicht klar genug bewusst.
       
       26 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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