URI: 
       # taz.de -- Steuerbetrug-Thriller in der ARD: Die Möglichkeit einer Perücke
       
       > Als „Die Fahnderin“ ist Katja Riemann auf der Jagd nach einem
       > Steuerbetrüger. Von ihren Vorgesetzten wird sie dabei im Stich gelassen,
       > vom Drehbuch auch.
       
   IMG Bild: Das ist Katja Riemann. Wirklich? Wirklich!
       
       Nein. „Die Fahnderin“ ist nicht die Filmadaption der langlebigen TV-Serie
       „Der Fahnder“, nun mit weiblicher Titelfigur. Die alten Folgen mit Klaus
       Wennemann als „Fahnder“ werden übrigens gerade vom WDR wiederholt. Der WDR
       hat auch die mit dem „Fahnder“ also nichts weiter gemein habende
       „Fahnderin“ produziert, zusammen mit dem NDR.
       
       Das nun ist der Sender mit dem täglichen Boulevard-Magazin „DAS!“, das auch
       jenseits des Sendegebiets für Gesprächsstoff gesorgt hat, als, es ist jetzt
       ziemlich genau ein Jahr her, Katja Riemann über die plumpe Schleimerei und
       den alltäglichen Zynismus der deutschen Vorabendhölle so sehr in stummes
       Entsetzen verfiel, dass Moderator Hinnerk Baumgarten sich nicht mehr zu
       helfen wusste. In jenem [1][denkwürdigen Interview] spielte auch eine
       dunkelhaarige Perücke eine Rolle, die die Riemann in einem Film getragen
       hatte, von deren Möglichkeit der Moderator aber offenbar zum ersten Mal
       hörte.
       
       Katja Rieman spielt nun „Die Fahnderin“, sie trägt so offensichtlich eine
       so bescheuerte dunkelhaarige Perücke, dass man sich hätte fragen können, ob
       das ein ironischer Wink an Baumgarten sein soll. Dazu trägt sie auf der
       Nase so eine Siebziger-Jahre-XXL-Brille, wie sie junge Frauen gerne tragen,
       wenn sie nach Berlin kommen und sich als Hipster versuchen wollen.
       
       Ob die merkwürdige Over-the-top-Kostümierung im Falle von Katja Riemann
       aber wohl das Klischeebild einer Finanzbeamtin als grauer Maus
       („kompromisslos, penibel, stur“) bedienen soll? Oder geht es doch gerade um
       das Gegenteil? Eine Parodie scheint jedenfalls nicht beabsichtigt zu sein.
       Und das ist wirklich schade, denn als Parodie würde der Film vermutlich
       besser funktionieren.
       
       So aber muss er „ein wichtiger Beitrag“ sein. „Denn“, so
       ARD-Programmdirektor Volker Herres, „er macht vielleicht noch
       eindringlicher als jeder Text oder Nachrichtenbeitrag deutlich, wie es um
       das mühsame Ringen um Einhaltung der Steuergesetze und damit um
       Gleichbehandlung der Steuerzahler aus der Perspektive der Fahndung bestellt
       ist.“
       
       ## Auftakt eines Themenabends
       
       Es geht um Steuerbetrug. Und es mag tatsächlich Zufall sein, dass der Film
       so kurz nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß programmiert ist – als Auftakt
       eines „Themenabends“ mit anschließender Extra-Ausgabe „Plusminus“.
       Auffällig ist, dass der Hinweis auf die reine Zufälligkeit der
       Ähnlichkeiten mit realen Personen schon vorab und nicht erst im Abspann
       eingeblendet wird. Bestimmte Motive, Floskeln, die Selbstgerechtigkeit
       kommen einem bekannt vor („Wissen die eigentlich, was ich im Jahr so
       spende?“).
       
       Trotzdem ist und wäre auch ohne den Hinweis schnell klar, dass dieser seine
       Steuern optimiert habende Unternehmer (Alexander Held) kein Hoeneß und kein
       Zumwinkel sein soll – dass er vielmehr das fiktive Kondensat dieser und
       anderer Fälle verkörpert. Die Handlung spielt in Nordrhein-Westfalen,
       dessen Regierung im Umgang mit ausländischen Steuer-CDs bislang
       aufgeschlossener ist als alle anderen Landesregierungen.
       
       Gleichwohl zeigt sich, im Film, dass aber „ganz offensichtlich das höhere
       Interesse, den Fahndern die Arbeit im Dienste des Allgemeinwohls zu
       erleichtern, nicht sehr ausgeprägt ist“ (Herres). Oder, anders gesagt, der
       Fahnderin wird mehr als nur nahegelegt, sich doch ein weniger prominentes
       und honoriges Opfer für ihren Gerechtigkeitsfetisch zu suchen.
       
       ## Korrumpierte Behörde
       
       Ihr Chef (Waldemar Kobus) spricht als Einziger im ganzen Cast Mundart –
       damit der Zuschauer noch vor der „Fahnderin“ weiß, dass er hier einen
       Repräsentanten des rheinischen Klüngels vor sich hat. Weil die Fahnderin
       auf der korrumpierten Behörde also niemandem mehr trauen kann, bezieht sie
       mit ihrem kleinen Team Hauptquartier in ihrem wirklich schönen,
       großzügigen, erlesen möbliertem Wohnhaus.
       
       Ihre Tochter (Sarah Horváth), mit der sie einen in dem Film eher
       überflüssigen Mutter-Tochter-Konflikt auszutragen hat, schickt sie auf ein
       Internat, in dem die Mädchen Schuluniformen tragen. Und das alles, obwohl
       sie als Beamtin doch auch Steuern zahlen muss ...
       
       Gott steckt bekanntlich im Detail – mit trockenen Details steuer- oder
       prozessrechtlicher Art wollen Autor Stefan Dähnert und Regisseur Züli
       Aladag den Zuschauer nicht behelligen. Leider stimmt aber das große Ganze
       nicht. Denn …
       
       – Vorsicht: Spoileralarm! –
       
       … wenn der Steuerbetrüger am Ende deshalb viel glimpflicher davonkommt als
       Uli Hoeneß, weil den verheirateten Generalstaatsanwalt (Götz Schubert) eine
       Langzeitaffäre ausgerechnet mit der Fahnderin erpressbar macht, dann ist
       das einfach ein viel zu billiger Krimitrick. Für einen Film, der doch „ein
       wichtiger Beitrag“ sein will. Und sich stattdessen als krude
       Verschwörungstheorie entpuppt.
       
       26 Mar 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.youtube.com/watch?v=qmpCL11QEWo
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Fernsehfilm
   DIR Steuerbetrug
   DIR Uli Hoeneß
   DIR Steuerfahndung
   DIR Uli Hoeneß
   DIR Uli Hoeneß
   DIR Steuerbetrug
   DIR Skandal
   DIR NDR
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach der Verurteilung von Uli Hoeneß: Strengere Regeln für Selbstanzeigen
       
       Führende Koalitionspolitiker wollen die Bedingungen von Selbstanzeigen
       wegen Steuerhinterziehung prüfen. Der FC Bayern München hat einen
       Hoeneß-Nachfolger gefunden.
       
   DIR Kommentar Urteil gegen Uli Hoeneß: Keine Schonung, kein Exempel
       
       Dreieinhalb Jahre Gefängnis für den Steuerbetrüger sind gerechtfertigt. Die
       Diskrepanz zwischen Selbstanzeige und Wirklichkeit war einfach zu groß.
       
   DIR Streit um Steuerkriminalität: „Jetzt muss Herr Schäuble liefern“
       
       Das Finanzministerium will erstmal lediglich bereits getroffene
       Verabredungen gegen Steuerbetrug umsetzen. Den Sozialdemokraten reicht das
       nicht aus.
       
   DIR Die Wahrheit: Ein käsiger Skandal
       
       Ein dringend notwendiges allerletztes Schlusswort zum Fall
       Riemann/Baumgarten und ähnlichen Reissäcken im Blätterwald.
       
   DIR Katja Riemanns Talkshow-Desaster: Gespräch des Grauens
       
       Nein, Katja Riemann ist kein armes Opfer. Man sollte das Talkshow-Geschäft
       kritisieren, nicht den NDR-Moderator, denn Hinnerk Baumgarten ist nicht
       allein.