# taz.de -- Nachruf Karin Kramer: Neugierig geblieben
> Sie lebte ein politisches Leben und knickte nicht ein: Karin Kramer war
> eine klassische linke Figur der siebziger Jahre, unangepasst und
> geschichtsbewusst.
IMG Bild: Der Karin Kramer Verlag hat sich auf Gedeih und Verderb dem Anarchismus verschrieben
Seit fast 45 Jahren existiert er nun, der Karin Kramer Verlag in Berlin.
Dennoch ist er vielen im oft nur geschäftstüchtigen Literaturbetrieb noch
immer kein Begriff. Das liegt weniger an Kramers Verlagsprogramm als an der
immer weiter abnehmenden Neugierde des Buchhandels und des Feuilletons.
Dabei hat der Verlag in vielfacher Hinsicht Geschichte geschrieben – auch
mit Geschichten. Beispielsweise erschienen hier Texte von Thomas Kapielski
und Karsten Krampitz, Bert Papenfuß’ Rumbalotte-Gedichte sind hier
gesammelt zu erwerben.
Zugleich ließ Karin Kramer die Romane von Roland Topor und die Texte von
Jim Morrison übersetzen. Vor allem aber waren hier unzählige Bücher von
Bakunin, Kropotkin, Malatesta, Landauer und Mühsam zu finden, denn der
Karin Kramer Verlag hat sich auf Gedeih und Verderb dem Anarchismus
verschrieben. Hinzu kamen, geradezu selbstverständlich, viele Bücher zur
antiautoritären Erziehung. Im Verlagsprogramm finden sich auch die
zahlreichen Bücher von Bernd Kramer, Kreuzbergs wohl genialischstem
Kneipendenker. Bernd Kramer führte den Verlag gemeinsam mit seiner Frau
Karin.
Das Präteritum ist angebracht, denn Karin Kramer ist am vergangenen
Donnerstagmorgen nach langer Krankheit verstorben. Karin Kramer war eine
geradezu klassische linke Figur der siebziger Jahre, unangepasst und
geschichtsbewusst. In einem Interview mit der Zeitung Graswurzelrevolution
sagte sie einmal: „Manches treibt einen zum Nonkonformismus. In unserer
Familie gab es übrigens ein ganz frühes Berufsverbot. Mein Großvater, der
in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts illegal SPD-Flugblätter in
Hausbriefkästen verteilte, wurde denunziert und verlor seine Arbeit als
Gärtner bei der Stadt Berlin.“
Karin Kramer lernte also recht früh, was es bedeutet, ein politisches Leben
zu führen, doch anders als andere, knickte sie nicht ein, im Gegenteil, sie
blieb ihren Idealen verpflichtet. Sie war dabei stets eine
„Linksabweichlerin“ – wie es so schön im kommunistischen Jargon heißt –,
und das aus Prinzip.
Als sie gefragt wurde, ob sie Ratschläge für „junge Menschen“ habe,
antwortete die Antiautoritäre zunächst: „Eher nicht.“ Um dann doch etwas zu
ergänzen: „Immer neugierig bleiben.“ Karin Kramer blieb zeitlebens
neugierig, wie ihr Verlagsprogramm beweist. Sie wurde 74 Jahre alt.
25 Mar 2014
## AUTOREN
DIR Jörg Sundermeier
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