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       # taz.de -- Torlinientechnologie in der Bundesliga: Vorwärts nimmer
       
       > Modernisierer unterliegen Traditionalisten. Die meisten Bundesligisten
       > blockieren die Torlinientechnologie. Aber die Entscheidung muss nicht
       > endgültig sein.
       
   IMG Bild: Unerwünscht in der Bundesliga: Chip-Ball
       
       FRANFURT taz | Heribert Bruchhagen feierte seinen kleinen Triumph mit einer
       Zigarette draußen auf der Straße. Der Vorstandsvorsitzende von Eintracht
       Frankfurt freute sich, weil sich seine Vorstellungen von der Zukunft des
       Fußballs durchgesetzt hatten. „Ich dachte, ich wäre auch hier ein
       Außenseiter wie so oft im Leben, und siehe da: diesmal nicht“, sagte er.
       Bruchhagen gehörte unter den 36 deutschen Profiklubs einer Mehrheit an, die
       sich am gestrigen Mittag gegen eine Einführung der Torlinientechnologie
       entschied.
       
       Neun der 18 Bundesligisten hatten gegen eine Einführung der technischen
       Hilfsmittel gestimmt, aus der Zweiten Liga waren es sogar 15 Vereine.
       Stefan Kießlings Phantomtor aus der Hinrunde der laufenden Bundesligasaison
       führte zu einer medialen Hysterie, Frank Lampards legendärer Treffer für
       England gegen Deutschland bei der WM 2010, der nicht zählte, wurde auf der
       ganzen Welt diskutiert, und nicht zuletzt verzerren solche Fehler einen
       fairen sportlichen Wettkampf. Doch in Deutschland wird es solche
       vermeidbaren Fehlentscheidungen auch in Zukunft geben.
       
       „Das war eine basisdemokratische Entscheidung, die man so akzeptieren
       muss“, sagte Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry nach der Sitzung.
       Die beiden Ligen hatten getrennt abgestimmt. Die erforderliche
       Zweidrittelmehrheit wurde jeweils verpasst. „Bis auf Weiteres ist das Thema
       aus unserer Sicht erledigt“, sagte Reinhard Rauball, der Präsident des
       Ligaverbandes DFL.
       
       Der Hauptgrund für diese Entscheidung waren – zumindest unter den
       Zweitligisten – die Kosten. Ein kamerabasiertes System, wie es in England
       und auch bei der kommenden WM eingesetzt wird, hätte knapp 200.000 Euro pro
       Jahr gekostet, die Alternative, der sogenannte Chip im Ball, ungefähr die
       Hälfte. „Die Kosten sind so exorbitant, dass das nicht tragbar ist“, sagte
       Jörg Schmadtke, der Manager des 1. FC Köln.
       
       Das mag für die vielen klammen Vereine aus der Zweiten Liga nachvollziehbar
       sein, wobei 150.000 bis 200.000 Euro pro Jahr angesichts der gewaltigen
       Geldmassen, die im Fußball umgesetzt werden, eher unbedeutend erscheinen.
       Hier zeigt sich, wie knapp viele Vereine kalkulieren, „es gab keine
       Diskussion mehr und auch keine Rückfragen“, sagte Christian Seifert. Der
       DFL-Geschäftsführer selbst durfte nicht mit abstimmen und wollte auch nicht
       verraten, wie er zu der Entscheidung der Klubs steht. Dem Image der Liga
       ist diese Verweigerung, einen Schritt in die Zukunft zu machen, aber eher
       nicht zuträglich.
       
       ## Hawk-Eye in der Premier League
       
       In England, wo das Hawk-Eye-System verwendet wird, werden strittige
       Torentscheidungen längst mit schönen Grafiken für die Zuschauer aufgelöst,
       das hilft nicht nur den Schiedsrichtern, es wirkt auch innovativ und
       modern. Die Bundesliga schaut seit Jahren neidvoll auf die Außendarstellung
       der Premier League, nun wurde dieses Feld freiwillig der Konkurrenz aus
       England überlassen.
       
       „Wir sind ja nicht die Letzten, die das nicht tun“, hielt Seifert dieser
       Argumentation entgegen, und überhaupt „steht und fällt der Grad der
       Professionalität der Bundesliga nicht mit der Einführung einer
       Torlinientechnologie.“ Das kann man so sehen, und gerade unter den
       Bundesligisten scheint der Wunsch, am Status quo festzuhalten, ein noch
       bedeutenderes Motiv für das „Nein“ gewesen zu sein als finanzielle
       Erwägungen. „Die Kosten spielten keine Rolle“, sagte Bruchhagen,
       bekennender Traditionalist.
       
       Bekannt wurde am Rande der Versammlung, dass die Klubs aus Mainz, München,
       Hoffenheim, Leverkusen, Bremen und Gladbach die Technik begrüßt hätten.
       Allerdings ist diese Entscheidung keine Sache für die Ewigkeit, auch das
       Regelboard der Fifa hat im Frühjahr 2010 schon einmal endgültig gegen die
       Einführung technischer Schiedsrichterhilfen gestimmt, das Lampard-Tor, das
       die Welt empörte, zwang den Weltverband zum Umdenken. Und das weiß auch
       Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl, der erklärte: „Ich glaube nicht,
       dass das ein Nein für alle Zeiten ist.“
       
       24 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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