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       # taz.de -- Friedensforscher über Sanktionen: „Prestige kommt gleich nach Gold“
       
       > Für den Friedensforscher Wolfgang Zellner sind Sanktionen der Weg in eine
       > Eskalationsspirale. Einige Signale sollte die Regierung damit aber
       > trotzdem an Russland senden.
       
   IMG Bild: Exil-Ukrainer fordern von der EU Sanktionen gegen Russland
       
       taz.de: Als Reaktion auf Russlands Rolle in der Krim-Krise diskutieren die
       Staatschefs der EU auf dem Gipfel in Brüssel [1][weitere Maßnahmen gegen
       Moskau]. Sind Sanktionen der richtige Weg zu Sicherheit und Frieden? 
       
       Wolfgang Zellner: Politische Sanktionen sind Hinweise an die andere Seite,
       das etwas sehr unerwünscht ist. Jetzt sind 33 Personen davon betroffen, die
       nicht einreisen dürfen und deren Konten eingefroren werden. Ob der Herr
       Sowieso von der Krim hier ein Wochenende verbringen kann, das ist
       irrelevant. Die Sanktionen sind so zugeschnitten, dass sie symbolisch sind
       und die Wirtschaft nicht betreffen. Es bringt nicht unmittelbar Sicherheit,
       aber es ist der Hinweis: Hört mal Leute, uns gefällt nicht, was ihr macht
       und wenn ihr so weitermacht, dann können wir noch mehr.
       
       Kuba, Iran, Nordkorea – was können wir aus bestehenden Sanktionen lernen? 
       
       Man sieht, dass alle wirtschaftlichen Sanktionen nur längerfristig wirken.
       Wenn Sie sich die Sanktionen gegen den Iran anschauen, wie das Ölembargo,
       dann sind das Jahre. Die Wirkung ist kurzfristig nicht zu haben, weil es
       eine bestimmte Widerstandskraft der Zielwirtschaft gibt, die da
       sanktioniert wird. Die muss erstmal durchbrochen werden. Nehmen wir an, der
       Westen würde von Russland kein Gas mehr kaufen. Dann hat Russland die
       Möglichkeit, die Exporte in Länder umzuleiten, die die Sanktionen nicht
       mittragen. Also: China, Indien oder dritte Staaten.
       
       Inwiefern schaden Putin die Sanktionen der sogenannten zweiten Stufe? 
       
       Die jetzigen Sanktionen werden von Russland locker weggesteckt. Es ist
       sogar eher etwas, das die Führung zusammenschweißt – auch mit weiten Teilen
       der Bevölkerung. Putin hat jetzt Popularitätswerte wie schon lange nicht
       mehr. Die Eingliederung der Krim gegen das Völkerrecht ist in Russland
       absolut populär. Die große Mehrheit der Bevölkerung unterstützt das
       eindeutig, für die ist die Krim heilige russische Erde.
       
       Müsste die EU stärkere wirtschaftliche Maßnahmen ergreifen? 
       
       Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Mit echten wirtschaflichen Sanktionen
       gehen wir ja selbst ein Risiko ein. Das Land ist für unsere Industrie ein
       wichtiger Exportmarkt. Außerdem hat die EU eine ganze Reihe von Staaten,
       die zu 100 Prozent vom russischen Gas abhängig sind. Bulgarien, Finnland
       und die baltischen Staaten zum Beispiel. Die Russen könnten diesen Ländern
       als Retourkutsche den Gashahn abdrehen – und wir können nicht schnell mal
       eine Leitung dahin bauen. Mit Sanktionen zementiert man die Konfrontation.
       Sie drehen damit die Eskalationsspirale nach oben und es ist nicht so
       leicht, da wieder rauszukommen.
       
       Also reichen die jetzigen, schwächeren Sanktionen aus? 
       
       Im Moment, ja. Denn durch die symbolischen Sanktionen hat Russland an
       Ansehen verloren. Das sind moralische Kosten. Die werden nur oft
       unterschätzt, weil das Denken militarisiert und ökonomisch ausgelegt ist.
       Aber unter den internationalen Gütern kommt Prestige gleich nach Gold. Ohne
       Ansehen kannst du gar nichts machen. Schauen Sie sich die Schweiz an, die
       können jeden anrufen, Obama, Putin – und die heben dann auch ab.
       
       Gibt es denn eine Situation, in der wirtschaftliche Sanktionen erforderlich
       sind? 
       
       In bestimmten Situationen benötigt man wirtschaftliche Sanktionen schon.
       Nehmen wir an, in der Ostukraine gibt es eine weitere Destabilisierung,
       oder gar eine russische Invasion, einen Krieg zwischen Russland und der
       Ukraine. Unter solchen Umständen müsste die EU versuchen, Russland höhere
       Schäden hinzuzufügen. Aber da sind wir nicht – und hoffentlich kommen wir
       da nicht hin.
       
       Was sind denkbare Alternativen? 
       
       Ein militärisches Eingreifen. Aber das will niemand in der EU, das ist
       klar. Niemand denkt daran, die Krim zurückzuerobern und die Ukraine selbst
       ist dazu militärisch gar nicht in der Lage. Man muss sich keine Illusionen
       machen: Die Annexion der Ukraine ist gelaufen. Jetzt ist es von
       ausschlaggebender Bedeutung, dass man eine OSZE Beobachterkommission
       hinbekommt.
       
       Was halten Sie von dem derzeit diskutierten Stopp der Lieferungen im
       Rüstungsbereich? 
       
       Sanktionen sind Kommunikationsmittel. Die deutsche Firma Rheinmetall wollte
       Russland ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum liefern. Das geht nicht.
       Russland hat militärische Maßnahmen vorgenommen, die wir ablehnen, nämlich
       die Annexion der Krim. Und im selben Moment dann Güter weiterzugeben, die
       die militärische Kraft Russlands stärken, das ist unlogisch. Das wäre ein
       Signal an Russland: Jungs wir reden viel, aber nehmt es nicht so ernst.
       
       21 Mar 2014
       
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