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       # taz.de -- Kommunalwahlen in Frankreich: „Entteufelte“ Rechte in die Rathäuser
       
       > Der rechtsextreme Front National hat bei den französischen Kommunalwahlen
       > gute Chancen. Vor allem in Städten mit ökonomischen Problemen.
       
   IMG Bild: FN-Chefin Marine Le Pen (r.) und ihr Vertrauter, Florian Philippot.
       
       FORBACH dpa | Die Stadt hat eindeutig bessere Zeiten gesehen. An vielen
       Häusern entlang der tristen Nationalstraße wenige Kilometer von Saarbrücken
       entfernt blättert die Fassade. In der City von Forbach, Hauptstadt des
       einst blühenden Lothringer Kohlebeckens, stehen viele Geschäfte leer. Am
       kommenden Sonntag beginnen die Kommunalwahlen in Frankreich, Umfragen sagen
       dem rechtspopulistischen Front National (FN) Erfolge voraus. In Forbach
       zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem amtierenden
       sozialistischen Bürgermeister Laurent Kalinowski (PS) und dem
       FN-Chefstrategen Florian Philippot ab.
       
       „Wenn der Front National das schafft, sind die Linken und Rechten (PS und
       UMP) schuld. Die haben in 30 Jahren keine Arbeitsplätze geschaffen“,
       schimpft Doris Sanchez. Die 57-Jährige Wirtin des „Café de Marché“
       beobachtet seit Jahrzehnten den Niedergang ihrer Stadt. Die alten
       Hochburgen des FN sind Städte an der Mittelmeerküste mit eher bürgerlichem
       Wählerklientel. In den vergangen Jahren haben die Rechtspopulisten ihren
       Fokus zunehmend auf Nordost-Frankreich gerichtet. „Die Menschen haben nach
       und nach verstanden, dass PS und UMP viel versprochen, aber nichts gehalten
       haben“, wertet Philippot die FN-Erfolge in Lothringen.
       
       Schon bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren konnten FN-Kandidaten an der
       Grenze zu Deutschland Ergebnisse von mehr als 30 Prozent einfahren.
       Philippot, frisch aus Paris zugezogen, unterlag Kalinowski sogar in einer
       Stichwahl nur mit gut 46 zu knapp 54 Prozent im Wahlkreis. Der
       FN-Chefstratege, Absolvent einer Eliteschule, hat sich die lothringische
       Provinz als Betätigungsfeld ausgesucht. Mit populistischen Versprechen von
       mehr Sicherheit und Arbeitsplätzen will er nun ins Rathaus einziehen. Das
       Gebäude aus dem Jahr 1974 kündet noch von der Blütezeit Forbachs. Seit die
       letzte Kohlegrube vor zehn Jahren dicht gemacht wurde, geht es der vom
       Bergbau geprägten Stadt immer schlechter.
       
       „Der FN ist nur auf einen Zug aufgesprungen“, kontert Kalinowski (58). Der
       Rechts-Partei gehe es nur um eigene Interessen und nicht um Lösungen der
       Probleme in der Stadt. Die sind gewaltig: Die Bevölkerung ist in rund 25
       Jahren um mehr als 5.000 auf etwa 22.000 Menschen geschrumpft. Die
       Arbeitslosigkeit liegt bei 14, bei Jugendlichen sogar weit über 20 Prozent.
       
       ## Rechtsextremes Image abgeschüttelt
       
       Anders als die NPD in Deutschland ist der FN in Frankreich salonfähig. Ob
       die Partei noch als rechtsextremistisch eingestuft werden kann, ist dort
       eher eine akademische Frage. „Wir sind Patrioten“, meint Philippot. Der
       32-Jährige ist mit seinem schicken Mantel ein Aushängeschild für die
       Strategie der „dé-diabolisation“, der „Entteufelung“, mit der Führungsfigur
       Marine Le Pen das rechtsextreme Image des von ihrem Vater Jean-Marie
       gegründeten FN weitgehend abgeschüttelt hat.
       
       Das wird auf der anderen Seite der Grenze ganz anders gesehen. „Der FN
       bleibt antisemitisch, xenophob und europafeindlich“, wettert
       Saar-CDU-Generalsekretär Roland Theis, der seine französischen Freunde von
       der UMP im Forbacher Wahlkampf unterstützt. Philippot sei die
       „europapolitische Speerspitze des französischen Rechtsextremismus und damit
       der französischen Europagegner“.
       
       Er warnt ebenso wie Kalinowski und die Oberbürgermeisterin von Saarbrücken,
       Charlotte Britz (SPD), vor den möglichen Folgen für die fast schon
       alltägliche Zusammenarbeit in der Euroregion. Britz meint, ein Sieg von
       FN-Kandidaten wäre „fatal“. Und Theis fragt: „Sie glauben doch nicht, dass
       sich eine Oberbürgermeisterin Britz (...) oder eine Ministerpräsidentin
       Kramp-Karrenbauer (CDU) mit den FN-Leuten an einen Tisch setzt?“ Philippot
       wird Ende Mai wahrscheinlich auch ins Europäische Parlament gewählt. Der
       Ausgang der Kommunalwahl in Forbach hängt maßgeblich davon ab, ob auch die
       konservativen Kandidaten, einer von der UMP und ein Unabhängiger, in der
       zweiten Wahlrunde am Sonntag (30.3.) mit dabei sind.
       
       23 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Fischer
       
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