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       # taz.de -- Datensicherheit im Internet: Ein hoher Preis fürs schnelle Konto
       
       > Onlinebetrüger werden immer raffinierter und stehlen gezielt immer höhere
       > Beträge. Auch beim mTAN-Verfahren gibt es mittlerweile Betrugsfälle.
       
   IMG Bild: Nur Bares ist Wahres? Glänzt schön, ist aber irgendwie unhandlich.
       
       BERLIN taz | Plötzlich ist das Geld weg. Alles. Knapp 80.000 Euro von
       insgesamt drei Konten bei derselben Bank, sämtliche Dispo-Rahmen bis zum
       Anschlag ausgereizt. Geld, das Angelica Meran* gerade auf diese Konten
       überwiesen hatte. Es sollte in ein Bauprojekt fließen, Holz, Fensterrahmen,
       Bodenplatten für ein kleines Häuschen hinten im Garten.
       
       Es ist der Anruf eines Postbankmitarbeiters, der Meran am 17. September aus
       der geordneten Welt herausholt. Eine geschäftige Stimme, er stellt sich
       vor, erklärt, ihre Konten seien offenbar einem Angriff zum Opfer gefallen,
       das Geld sei weg.
       
       Meran sitzt in ihrem Arbeitszimmer, ein kleines Reihenhaus in Berlin. Vor
       ihr auf dem Bildschirm der Kontoauszug vom Tag des Geschehens: neun
       Abbuchungen, erst von ihrem Tagesgeldkonto auf das Girokonto, dann vom
       Girokonto weg. Reihen von Zahlen, die auf der Website der Bank in Rot
       erscheinen, mit einem Minus davor.
       
       Knapp 10.000 Euro die höchsten Beträge. Phishing heißt die Betrugsform –
       eine Mischung aus den englischen Wörtern für fischen und Passwort. Betrüger
       versuchen über gefälschte Websites oder E-Mails an persönliche Daten von
       Nutzern heranzukommen, um damit beispielsweise Bankkonten zu plündern.
       
       Meran ist keine Frau, der man Leichtgläubigkeit unterstellen wollte oder
       Naivität im Umgang mit Technik. Die Wissenschaftlerin hat sich genau
       überlegt, dass sie, wenn sie Onlinebanking macht, auch ein sicheres
       Verfahren nutzen will.
       
       Lange hat sie einen externen TAN-Generator verwendet, und als der ihrer
       beruflichen Pendelei wegen zu umständlich wurde, auf das mTAN-Verfahren
       umgestellt. Das m steht für mobil, weil dem Nutzer eine TAN auf das
       Mobiltelefon, an eine vorher angegebene Nummer geschickt wird. Das soll
       verhindern, dass Dritte die Überweisung ausführen.
       
       ## Wie hat sie sich infiziert?
       
       Bei Angelica Meran lief es fast klassisch: Als sie sich eines Tages bei
       ihrer Bank einloggen wollte, erschien ein Hinweis auf eine neue
       Sicherheitssoftware für das Handy, man benötige dafür ihre Telefonnummer.
       Meran gab sie an und wusste nicht, dass es damit schon zu spät war: Die
       Website gehörte nicht der Bank, sondern war ein täuschend echter Nachbau.
       
       Wie sie sich den Trojaner eingefangen hatte, der dafür verantwortlich war –
       das weiß Meran bis heute nicht. Einmal auf einen Anhang oder Link in einer
       vermeintlichen Bank-E-Mail geklickt? Einen infizierten USB-Stick in den
       Rechner geschoben? Auf der falschen Website gesurft? Meran zuckt die
       Schultern.
       
       Auch wie die Betrüger an die TANs gekommen sind, ist unklar. Teilweise
       bestellen sie beim Mobilfunkanbieter eine zweite SIM-Karte – und
       konfigurieren sie so, dass SMS nicht mehr an den Bankkunden, sondern an die
       Betrüger selbst gehen. Das dürfte bei Meran nicht passiert sein – ihr
       Mobilfunkanbieter bietet gar keine zweite SIM-Karte an.
       
       „Das Phishing hat heute schon eine ganz andere Qualität als früher“, sagt
       Sebastian Tiesler. Der 43-Jährige, seit elf Jahren beim Unternehmen Star
       Finanz, das unter anderem die App für Sparkassenkunden entwickelt, hat
       schon viele Sicherheitsmechanismen kommen und gehen sehen.
       
       Er sagt: „Solange nur ein Kunde darauf reinfällt, hat sich der ganze
       Aufwand für die Kriminellen gelohnt.“ Mit Aufwand meint er: einen Trojaner
       programmieren, Mails verschicken, eine falsche Seite bauen und sich
       gegebenenfalls um eine zweite SIM-Karte kümmern.
       
       ## Es werden gezielt Konten mit hohen Summen gewählt
       
       Helga Koch, Leiterin der Onlinefiliale der GLS-Bank, analysiert die
       Phishingwelle beim mTAN-Verfahren so: „Die Betrüger suchen sich
       mittlerweile gezielt Kunden mit hohen Beträgen auf dem Konto.“ Genau wie
       bei Meran.
       
       Das Geld der Postbank-Kundin ist nun bei Krista Zaltite und Dino Murri.
       Vielmehr: Es ist bei den Menschen, die auf diese Namen irgendwo auf der
       Welt ein Konto eröffnet und das Geld von Merans Konto dorthin überwiesen
       haben.
       
       Die Namen müssen nichts heißen, denn nicht überall braucht man Ausweis,
       Pass oder Postident, um sich ein neues Konto zu organisieren. Auf dem
       lokalen Polizeirevier nehmen die Beamten Merans Anzeige auf. Viel Hoffnung,
       die Täter zu finden, machen sie ihr nicht.
       
       Für Meran beginnt der Albtraum Leben ohne Geld. Miete, Telefon, Supermarkt?
       Immer wieder steht sie vor dem Automaten, der ihr zwar die Karte, aber kein
       Bares ausspuckt. Meran muss sich Geld leihen, von Freunden, von der
       Familie.
       
       ## „Die Beweislast trägt die Bank“
       
       Und sie kann nicht einmal sagen: Nächsten Monat bekommt ihr es zurück. Denn
       sie weiß nicht, wann und ob sie das verschwundene Geld je wiedersehen wird.
       Ihre Bank lässt sich Zeit mit den Nachforschungen.
       
       „Die Beweislast trägt die Bank“, sagt Markus Feck, Finanzjurist bei der
       Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie muss beweisen, dass der Kunde
       etwa keinen Virenscanner genutzt oder leichtfertig einen infizierten Anhang
       einer E-Mail geöffnet hat.
       
       Die Verbraucherzentrale betreibt das sogenannte Phishing-Radar – eine
       Seite, auf der sie von Verbrauchern gemeldete Phishing-Mails dokumentiert.
       Die zeigt: Die Zeiten, in denen die Mails in miserablem Deutsch mit
       haufenweise Rechtschreibfehlern verfasst wurden, sind vorbei. Die Schreiben
       lesen sich flüssig, vielleicht etwas gestelzt.
       
       „Ihr Konto entspricht nicht den aktuellen Anforderungen und muss deshalb
       durch eine Datenabgleichung aktualisiert werden“, heißt es etwa in einer
       Mail vom Oktober 2013. Angeblich soll sie von der Postbank stammen,
       angegeben ist aber eine frei erfundene Straße in Kiel.
       
       ## Der Schaden der Banken bleibt geheim
       
       Wie hoch der Schaden ist – keine Zahlen. Natürlich haben die Banken kein
       Interesse daran, dass die Kunden das Vertrauen ins Onlinebanking verlieren.
       Denn sie nehmen der Bank damit einen guten Teil der Arbeit – und damit
       Kosten – ab.
       
       Nicht umsonst müssen Kunden für reine Onlinekonten häufig weniger oder
       keine Kontoführungsgebühren zahlen. Doch der Schaden, den die Banken haben,
       weil sie ihren Kunden unbefugt abgebuchtes Geld erstatten, scheint deutlich
       geringer zu sein als die Einsparungen durch das Onlinebanking.
       
       Auch das Geld von Meran hat die Bank schließlich erstattet. Am 31. Oktober
       werden die Beträge wieder gutgeschrieben, rückwirkend. „Eine
       Kulanzerstattung“, betont eine Sprecherin der Postbank. Welche Kriterien
       dazu führten, dass Meran das Geld wiederbekommen hat – das hält die Bank
       geheim. Bloß keine Aussagen, auf die sich andere Betroffene berufen
       könnten.
       
       Meran macht immer noch Onlinebanking. Sie hat die Festplatte ihres
       Computers neu formatiert und alle Programme neu installiert. Der Trojaner
       ist weg. Die Bauchschmerzen bleiben.
       
       *Name geändert
       
       24 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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