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       # taz.de -- Handel mit Ausgleichsflächen: Kein Platz für die Natur
       
       > Landwirte wollen keine Flächen mehr zum Naturausgleich hergeben. Das neue
       > agrarpolitische Senats-Konzept könnte das unterstützen, befürchten
       > Umweltverbände.
       
   IMG Bild: Immer noch nicht ganz ausgeglichen: Mühlenberger Loch.
       
       Umweltverbände fürchten, dass es schwieriger werden könnte, Schäden an
       Natur und Landschaft durch Naturschutzprojekte auszugleichen. Sorgen macht
       dem BUND, dem Nabu und dem Botanischen Verein das agrarpolitische Konzept
       2020 des SPD-Senats. In dem Entwurf kündigt er an, er werde „zum Schutz der
       Agrarstruktur die knappe Ressource ’Agrarflächen‘ möglichst flächensparend
       nutzen“. Der Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten werde „von nun an
       ausgeschöpft, um agrarstrukturelle Belastungen durch Kompensationsmaßnahmen
       zu minimieren“. Aus Sicht der Umweltverbände heißt das: weniger Fläche für
       die Natur.
       
       Hintergrund der Ankündigung des Senats ist die Konkurrenz um den knappen
       Grund und Boden. Jährlich sind in den vergangenen zehn Jahren jeweils gut
       200 Hektar Fläche bebaut worden. Dieser Eingriff in Natur und Landschaft
       muss nach dem Gesetz ausgeglichen werden – in der Regel auf den Äckern der
       Bauern. Das kann bedeuten, dass sie ihre Grundstücke aufgeben, heißt aber
       meist, dass sie sich gegen eine Ausgleichszahlung darauf einlassen,
       naturverträglicher zu wirtschaften.
       
       Aus Sicht des Bauernverbandes ist das ein Problem. „Wenn wir so
       weitermachen, haben wir in 18 Jahren keinen Gemüsebau mehr“, rechnet
       Verbandspräsident Heinz Behrmann hoch. Denn auch wenn Flächen nicht in
       Naturschutzgebiete verwandelt, sondern bloß extensiv bewirtschaftet würden,
       fielen sie für die Landwirtschaft faktisch aus. Die im Entwurf des
       agrarpolitischen Konzepts vorgesehene Reform würde er begrüßen.
       
       Die Umwelt- und die Wirtschaftsbehörde schlagen darin vor, „alle Maßnahmen
       der Stadt, die zu naturschutzfachlichen Aufwertungen führen“ in ein
       Ökokonto einzubuchen. Plant jemand eine neue Fabrik, könnte er den nötigen
       Ausgleich von diesem Konto abbuchen. Das Ökokonto, mit dem ein Vorrat an
       Ausgleichsmaßnahmen angelegt werden kann, gibt es schon. Neu ist, dass der
       Senat dort künftig jedwede Verbesserung einbuchen will sowie Projekte, zu
       denen er ohnehin verpflichtet ist. Die Naturschutzverbände halten das für
       rechtswidrig, weil nach dem Bundesnaturschutzgesetz nur Maßnahmen, „die im
       Hinblick auf zu erwartende Eingriffe durchgeführt worden sind“, auf Vorrat
       gelegt werden dürfen.
       
       Nabu und BUND stoßen sich auch an einer „Clearingstelle“, die der Senat
       einrichten will. Besetzt mit Vertretern der Wirtschaftsbehörde, soll sie
       sich zwischen die Umweltbehörde setzen, die Ausgleichsflächen sucht, und
       Landwirte, die solche Flächen anzubieten haben. „Faktisch entscheiden dann
       nicht mehr Fachleute des Naturschutzes allein, wo aus fachlichen Gründen
       ein Ausgleich stattfinden soll“, kritisieren die Verbände.
       
       Die geplante Veränderung werde dazu führen, dass sich der Zustand der Natur
       unterm Strich nicht mehr verbessern könne, warnen BUND und Nabu. Mehr noch:
       „Wir müssen heute schon mit einem andauernden Verlust leben“, sagt der
       Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke. Bei 60 Planverfahren, die bis ins Jahr
       1991 zurückreichten, sei der festgesetzte Ausgleich noch immer nicht
       umgesetzt.
       
       „Den Naturschutzverbänden geht es in erster Linie darum, an Flächen
       heranzukommen“, sagt Behrmann. „Wenn wir das Öko-Konto mit Leben erfüllten,
       hätten wir ein paar Jahre Ruhe.“
       
       16 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
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