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       # taz.de -- WHO-Empfehlung zum Zucker-Konsum: Schon eine Cola ist zu viel
       
       > Experten der Weltgesundheitsorganisation raten, nicht mehr als fünf
       > Prozent des täglichen Kalorienbedarfs mit Zucker zu decken. Die Industrie
       > protestiert.
       
   IMG Bild: Übergewicht durch zu viel Zucker? Die Zuckerindustrie glaubt nicht daran.
       
       BERLIN taz | Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will ihre Empfehlungen
       für den Zuckerverzehr verschärfen. Ein Richtlinienentwurf der UN-Behörde
       rät zwar wie bisher „dringend“ dazu, dass Kinder und Erwachsene höchstens
       zehn Prozent des täglichen Kalorienbedarfs über „freie Zucker“ aufnehmen
       sollten, die Essen zugesetzt werden oder von Natur aus in Honig, Sirup und
       Fruchtsäften enthalten sind.
       
       Neu ist aber die „bedingte Empfehlung“: „Die WHO schlägt eine weitere
       Reduzierung auf unter fünf Prozent der Gesamtenergie vor.“ Das entspricht
       bei normalgewichtigen Erwachsenen rund 25 Gramm – schon eine Dose Cola
       liefert zehn Gramm mehr. Das Fünf-Prozent-Limit ist jedoch den Experten
       zufolge wissenschaftlich nicht so eindeutig belegt wie die
       Zehn-Prozent-Grenze.
       
       Eine strengere Richtlinie der WHO könnte den Druck auf den Staat erhöhen,
       gegen den übermäßigen Konsum von Zucker vorzugehen. Schon jetzt essen die
       Deutschen mehr als doppelt so viel Zucker als empfohlen: Allein der
       tägliche Verbrauch von Haushaltszucker liegt im Schnitt bei rund 96 Gramm
       pro Person.
       
       Das kann laut WHO der Gesundheit schaden. Die Sorge wachse, dass wer mehr
       freie Zucker verzehre, auch mehr Kalorien, aber weniger andere Nährstoffe
       zu sich nehme, die der Körper benötigt. Das trage zu Übergewicht bei. Zudem
       weisen die Experten auf den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Karies
       hin. Beide Volkskrankheiten verursachen millionenfaches Leid und hohe
       Kosten für das Gesundheitssystem.
       
       Zu diesem Fazit sind die Autoren des Richtlinienentwurf gekommen, nachdem
       sie nach eigenen Angaben alle veröffentlichten Untersuchungen über das
       Thema ausgewertet haben. Allerdings belegten nur drei Studien, dass das
       Kariesproblem in einem Land niedriger ist, wenn die Menschen weniger als
       fünf Prozent der Energie aus Zucker erhalten. Zudem gelten diese Analysen
       wegen ihres Aufbaus als vergleichsweise ungenau. Da aber Karies schon im
       Kindesalter bei sehr geringen Dosen Zucker entstehen und dann sehr lange
       Schäden verursachen kann, haben sich die WHO-Experten trotz der
       suboptimalen Beweislage für die strengere Empfehlung ausgesprochen.
       
       ## Süßwarenlobby für mehr Süßwaren
       
       Die Lebensmittelhersteller sind bereits auf den Barrikaden. Der
       Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, der am Donnerstag für das
       Jahr 2013 eine Produktionssteigerung der Branche um 3,7 Prozent auf 3,96
       Millionen Tonnen bekanntgab, lehnt jegliche Empfehlungen ab, den
       Zuckerkonsum auf bestimmte Limits zu begrenzen. Hauptgeschäftsführer Klaus
       Reingen sagte, die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit „ist zu dem
       Schluss gekommen, dass es nicht erforderlich ist, einen Referenzwert für
       Zucker einzuführen.“
       
       Übergewicht entstehe durch zu viele Kalorien, Karies durch vergärbare
       Kohlenhydrate – egal, ob aus Zucker oder anderen Lebensmitteln. Bei der
       Zahnkrankheit komme es „nicht auf die Menge, sondern die Verzehrhäufigkeit
       an“. Wer sich regelmäßig die Zähne putzt, kann dem Verband zufolge weiter
       naschen. Klar, dass die Branche sich auch dagegen ausspricht, die Werbung
       etwa für zuckerhaltige Kinderlebensmittel einzuschränken.
       
       Die Industrie hat durchaus Chancen, bei der WHO Gehör zu finden. Bis 31.
       März holt die UN-Organisation Stellungnahmen zum Beispiel von ihren
       Mitgliedstaaten, Lobbyverbänden und externen Fachleuten ein. Gegebenfalls
       überarbeitet die Organisation dann den Vorschlag, bevor er im Sommer vom
       Ausschuss der WHO für die Überprüfung von Richtlinien endgültig angenommen
       werden soll.
       
       13 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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