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       # taz.de -- Krim-Konflikt: Ukraine warnt vor Truppenaufmarsch
       
       > 80.000 russische Soldaten sollen an der Grenze versammelt sein. Ein
       > Assozierungsabkommen der Ukraine mit der EU könnte schneller kommen als
       > gedacht.
       
   IMG Bild: Anti-Kriegsposter in Kiew.
       
       SIMFEROPOL/STRASSBURG/KIEW dpa/afp/ap | Die Ukraine hat Russland einen
       massiven Truppenaufmarsch an der gemeinsamen Grenze vorgeworfen. Mehr als
       80.000 Soldaten, bis zu 270 Panzer und 140 Kampfflugzeuge seien dort
       zusammengezogen worden, sagte der Chef des ukrainischen Nationalen
       Sicherheitsrats, Andrej Parubij, am Mittwoch in Kiew. Die G7 warnten die
       Regierung in Moskau vor weiteren Provokationen. Die EU kündigte eine rasche
       Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Kiew an.
       
       Der russische Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow bestritt einen
       militärischen Aufmarsch seines Landes. Parubij sagte hingegen, die
       russischen Truppen seien in unmittelbarer Nähe der Grenze, einige nur eine
       zwei- bis dreistündige Faht von Kiew entfernt. Damit bestehe eine„
       Bedrohung durch eine regelrechte Invasion aus mehreren Richtungen“.
       
       Tausende prorussische Kräfte haben bereits die Kontrolle über die Krim
       übernommen, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist. Die
       Bevölkerung der Halbinsel, von der sich rund 60 Prozent als russisch
       verstehen, soll am Sonntag über eine Abspaltung von der Ukraine und einen
       Anschluss an Russland abstimmen.
       
       In der Krim-Krise hat das ukrainische Außenministerium den Vertreter
       Russlands in Kiew einbestellt und in einer diplomatischen Note gegen die
       Politik Moskaus protestiert. Die jüngsten Erklärungen etwa von Kremlchef
       Wladimir Putin zur Lage auf der Halbinsel seien eine Einmischung in innere
       Angelegenheiten, teilte das Außenamt der früheren Sowjetrepublik am
       Mittwoch mit.
       
       Putin hatte unter anderem das für Sonntag auf der Krim geplante Referendum
       über einen Beitritt zu Russland als rechtmäßig bezeichnet. Die prowestliche
       Regierung in Kiew äußerte in der Protestnote an den russischen
       Geschäftsträger Andrej Worobjow auch „große Zweifel“, dass die Befragung am
       16. März transparent verläuft.
       
       ## Schnelles Assoziierungsabkommen
       
       Der erste Teil des Assoziierungsabkommens der Europäischen Union (EU) mit
       der Ukraine soll bereits kommende Woche unterzeichnet werden. Dies kündigte
       der polnische Ministerpräsident Donald Tusk nach einem Treffen mit
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Warschau an.
       
       Trotz scharfer Warnungen aus dem Westen treibt die moskautreue Krim-Führung
       den Anschluss der ukrainischen Halbinsel an Russland unvermindert voran.
       Die selbst ernannte Regional-Regierung schränkte am Mittwoch den Luftraum
       über der Krim bis nach dem umstrittenen Referendum über einen Beitritt zu
       Russland ein.
       
       Damit solle die Ankunft von „Provokateuren“ aus Kiew und der Westukraine
       verhindert werden, sagte Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew. Die
       Maßnahme gelte bis Montag, einen Tag nach der geplanten Volksbefragung.
       
       Die Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten (G7) haben
       Russland vor einer Annexion der Krim gewarnt. In einer gemeinsamen
       Erklärung vom Mittwoch drohen sie „weitere Maßnahmen“ an, falls Moskau die
       Souveränität der Ukraine nicht achte. Das Referendum sei aus verschiedenen
       Gründen illegal, weshalb die G7-Staaten das Ergebnis nicht anerkennen
       würden, heißt es in der in Berlin veröffentlichten Erklärung.
       
       Der G7 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan,
       Kanada und die USA an. Auch die EU nimmt an den Beratungen teil. Die G7
       wurde 1998 durch Aufnahme Russlands zur G8 erweitert.
       
       ## 7000 Bewaffnete
       
       „Wir fordern Russland auf, alle Bemühungen um eine Annexion der
       ukrainischen autonomen Republik Krim einzustellen“, sagte Barroso. „Jeder
       Versuch, ein Referendum in der Krim zu legitimieren, widerspricht der
       ukrainischen Verfassung, internationalem Recht und ist illegal.“
       
       Das Krim-Parlament hatte am Dienstag die Abspaltung der
       Schwarzmeerhalbinsel von der Ukraine erklärt. Die Bürger der Krim sollen am
       Sonntag in einer Abstimmung über den Anschluss an Russland entscheiden.
       Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich.
       
       Nach dem blutigen Machtwechsel in Kiew hatten Ende Februar russisch
       sprechende Bewaffnete die Kontrolle über die Halbinsel übernommen. Moskau
       betreibt eine schnelle Eingliederung des über Jahrhunderte russischen
       Gebiets in die Russische Föderation. Der Westen hält den gesamten
       Abspaltungsprozess für völkerrechtswidrig und verlangt von Moskau eine
       diplomatische Lösung.
       
       Die prorussische Führung der Krim verkündete, sie könne in kurzer Zeit bis
       zu 7000 Bewaffnete mobilisieren. Schon jetzt verfügten die
       „Selbstverteidigungskräfte“ auf der Halbinsel über 3000 Mitglieder, sagte
       Parlamentschef Wladimir Konstantinow in Simferopol. Sie sollen bei dem
       Referendum am kommenden Sonntag die Wahllokale schützen. Konstantinow
       sagte, die Führung rechne bei der Volksbefragung mit etwa 85 Prozent
       Zustimmung.
       
       Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat
       nach eigenen Angaben Beweise dafür, dass das russische Militär für die
       Straßenblockaden auf der Krim verantwortlich ist. Die OSZE-Beobachter in
       der Ukraine hätten während ihrer einwöchigen Mission Belege für die
       Anwesenheit russischer Soldaten auf der Halbinsel gesichert. Ein Bericht
       nennt als Beispiele die Ausrüstung der „Selbstverteidigungskräfte“ sowie
       Nummernschilder von Lastwagen. Moskautreue Bewaffnete hatten den
       Beobachtern in den vergangenen Tagen fünfmal den Zugang zur Krim versperrt.
       
       ## Vier-Augen-Gespräch mit Tusk
       
       Mitten in der Krim-Krise wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch am
       Mittwoch in Warschau den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zu
       einem Vier-Augen-Gespräch treffen. Tusk befürchtet ein zu zaghaftes
       Vorgehen Deutschlands und der Europäischen Union gegenüber Moskau aus
       Rücksicht auf Gas-Geschäfte. Er ist besorgt, eine Eskalation im
       Nachbarstaat Ukraine könnte auch Polen in Schwierigkeiten bringen. Merkel
       hatte sich für einen besonnenen, aber bestimmten Kurs Europas gegenüber
       Russland ausgesprochen.
       
       Die EU hatte in der vorigen Woche einen Drei-Stufen-Plan beschlossen, falls
       sich Russland nicht von der Krim zurückzieht. Als erster Schritt wurden die
       Verhandlungen mit Moskau über Visa-Erleichterungen für Russen ausgesetzt.
       Auch über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Russland wird vorerst nicht
       weiter verhandelt. Für den Fall einer Eskalation der Lage hat die EU
       härtere Strafmaßnahmen bis hin zu Wirtschaftssanktionen gegen Russland
       angekündigt.
       
       ## 100 russische Schriftsteller geloben Putin Unterstützung
       
       Nach der öffentlichen Kritik dutzender Kulturschaffender an der russischen
       Ukraine-Intervention haben rund hundert gegenteilig gesinnte Künstler dem
       Kreml ihre Rückendeckung versichert. In einem am Mittwoch auf der Seite des
       russischen Kultusministeriums veröffentlichten Brief gelobten die
       Unterzeichner Präsident Wladimir Putin „volle Unterstützung“ für sein
       Vorgehen in der Ukraine und auf der Krim.
       
       Angesichts der jüngsten Vorkommnisse könnten sie nicht länger
       „gleichgültige und kaltherzige Beobachter“ bleiben. Unterschrieben wurde
       der Brief unter anderem von den Leitern des Bolschoi- und
       Mariinski-Theaters, Wladimir Urin und Waleri Gergijew.
       
       ## Unterschriften gegen Brudermord
       
       Schon vergangenen Donnerstag hatten rund hundert russische Schriftsteller
       wie Valentin Rasputin und Juri Bondarew ein Unterstützungsschreiben an
       Putin gesandt, in dem sie „die zerstörerischen Kräfte des Westens“
       anprangerten. Tags darauf veröffentlichte der Berliner Tagesspiegel einen
       kritischen Brief von 34 aus der Ukraine und Russland stammenden
       Kulturschaffenden, die den Kreml-Chef aufforderten, eine militärische
       Eskalation in der Ukraine zu verhindern.
       
       „Wir dürfen einen Brudermord nicht zulassen“, schrieben die zumeist in
       Deutschland lebenden Unterzeichner, zu denen die Schriftsteller Wladimir
       Kaminer und Katja Petrowskaja gehörten.
       
       12 Mar 2014
       
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