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       # taz.de -- Grüner verschickt Bettelmail: „Ich brauche Deine Hilfe!“
       
       > Inspiriert von Obama, bittet Sven Giegold, grüner Kandidat für die
       > Europawahl, per Mail um Wahlkampfgeld – und sammelt einige Tausend Euro
       > ein.
       
   IMG Bild: Ein Blumenstrauß reicht ihm nicht, er will Knete: Sven Giegold
       
       BERLIN taz | Die Betreffzeile klingt nach jenen Spam-Nachrichten, die man
       sofort aus dem Onlineposteingang in den Papierkorb verschiebt. „Ich brauche
       Deine Hilfe!“, schreibt der Absender. Doch die E-Mail enthält keinen Link
       auf einen Computervirus, auch kein dubioses Kreditgesuch. Sie stammt von
       dem Grünen-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Sven Giegold, verschickt
       Ende Februar über dessen offiziellen E-Mail-Account an „liebe“ Freunde.
       
       Darin richtet der Europaabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen rund
       zweieinhalb Monate vor der Europawahl einen eindringlichen Appell an seine
       politische Fangemeinde. In Duzform verfasst, erinnert der Aufruf an jene
       privat gehaltenen Bettelmails, mit denen US-Präsident Barack Obama in
       Wahlkämpfen potenzielle Unterstützer in aller Welt um Spenden anhaute („My
       dear friend!“ – „Thanks, Barack“). Diese Ähnlichkeit ist kein Zufall. Es
       habe ihn „fasziniert“, sagt der 44-jährige Grünen-Politiker, wie Obama
       seinerzeit „ganz normale Leute“ in die Finanzierung seines Wahlkampfs
       eingebunden habe.
       
       Und auch Giegold geht es ums Geld. Wegen des schlechten Ergebnisses bei der
       Bundestagswahl sei das Wahlkampfbudget der Grünen „erschreckend klein“,
       beklagt der Attac-Mitbegründer in seiner Rundmail. Die Grünen hatten im
       Herbst 2013 nur 8,4 Prozent der Stimmen geholt – deutlich weniger als
       erhofft. Giegold folgert: Während die AfD mit „Großspenden“ gegen Europa
       mobilisieren werde, stehe den Grünen „nur wenig Geld zur Verfügung“ – kein
       Vergleich mit den Budgets von Union und SPD.
       
       „Deswegen brauche ich Eure Hilfe“, bettelt Giegold. „Bitte unterstützt
       meinen persönlichen Europawahlkampf mit einer Spende.“ Schon eine Gabe von
       „10 EUR“ könne „ein wichtiger Beitrag“ sein. Dann folgt ein Link auf eine
       Onlinebezahlseite, wo per Kreditkarte nachgeholfen werden darf.
       
       ## Ausreichendes Budget
       
       Glaubt man den Wahlkampforganisatoren in der Berliner Parteizentrale, ist
       die Lage allerdings nicht ganz so dramatisch. Zwar zieht die SPD in diesem
       Jahr laut Medienberichten mit einem Rekordbudget von 10,3 Millionen Euro in
       den Europawahlkampf, während die Grünen mit einem, daran gemessen,
       bescheidenen Gesamtbudget von 1,6 Millionen Euro kalkulieren. Das aber,
       sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, entspreche „ungefähr unseren
       Budgets bei den letzten Europawahlkämpfen“.
       
       Nach dem schwachen Ergebnis bei der Bundestagswahl „wachsen unsere
       finanziellen Möglichkeiten nicht in den Himmel“, räumt Kellner ein. „Doch
       bei uns liegt das Geld auch in den Kreisverbänden, und die investieren
       kräftig in die Europa- und Kommunalwahlkämpfe.“ Außerdem gelte: Was die
       anderen mehr an Geld hätten, wollten die Grünen durch Ideenreichtum
       wettmachen. Geplant sei ein „werteorientierter Wahlkampf“ – der die grünen
       Kernthemen in den Mittelpunkt stelle: Klima, Kampf gegen Gentechnik,
       Flüchtlingsschutz und Bürgerrechte.
       
       Die Hilferufkampagne des Fundraisers Giegold läuft trotzdem bemerkenswert
       gut: Rund 20.000 potenziellen Spendern hat er nach eigener Auskunft
       gemailt. Binnen weniger als zwei Wochen hätten mehr als 350 Unterstützer
       insgesamt etwa 20.000 Euro gespendet. Gemessen an den von Obama
       akquirierten Summen, ein Witz – doch sein eigenes Ziel von 15.000 Euro hat
       Giegold bereits übertroffen.
       
       ## 20.000 Euro in 14 Tagen
       
       Sollten die Grünen also mehr Obama wagen? „Ich finde, schon“, sagt Giegold.
       Es gehöre zur Politik dazu, auch um Geld zu werben – selbst wenn das in
       dieser Form hierzulande noch unüblich sei. „Der Erfolg gibt mir recht: Die
       Leute wissen, dass es ohne Geld nicht geht.“ Spendenakquise bei
       Unterstützern sei „nicht bäh“.
       
       Etwas verhaltener klingt Rebecca Harms, Giegolds grüne Ko-pitzenkandidatin
       für die EU-Wahl. Auch sie will mithilfe von Sponsoren-Essen und gezielter
       Ansprache versuchen, zusätzliches Geld für den Wahlkampf einzutreiben. Beim
       Vergleich mit dem US-Wahlkampf ist Harms aber vorsichtig. Schließlich
       hätten die Grünen ja – im Gegensatz zu den US-Kandidaten – zum Glück stets
       ein festes Budget. Und das sei in 2014 nicht kleiner als bei vergangenen
       Europa-Wahlkämpfen.
       
       10 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Astrid Geisler
       
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