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       # taz.de -- Ratgeber für den GAU: Von Jodtabletten und Bushaltestellen
       
       > Bund, Länder und Gemeinden wollen sich künftig besser gegen AKW-Unfälle
       > wappnen. Die bisherigen Regeln sind teils unfreiwillig komisch.
       
   IMG Bild: Atompusteblumen sorgen für ein tückisches Idyll.
       
       BERLIN taz/dpa Liebe Bewohner des bayerischen Kreises Günzburg, sollte es
       zu einem Atomunfall im nahe gelegenen Atomkraftwerk Gundremmingen kommen,
       besorgen Sie sich bitte Jodtabletten. Dann begeben Sie sich zu einer
       Sammelstelle – Kindergärten, Schulen – und warten auf einen Bus. „Für den
       Fall, dass keine dieser Einrichtungen vorhanden ist, begeben Sie sich an
       die Durchgangsstraße, dort werden Sie abgeholt.“
       
       Das heißt, man soll dann trampen? Das Zitat stammt aus einem dieser
       unfreiwillig komischen „Ratgeber“ für die Bevölkerung, die in der Nähe von
       Atomkraftwerken wohnt. AKW-Betreiber müssen sie erstellen. So sah
       Katastrophenschutz bisher in Deutschland aus, trotz Tschernobyl 1986 und
       den Erfahrungen damals. Entsprechend heftig sind die bisherigen Regeln
       kritisiert worden.
       
       Doch es brauchte das Atomunglück in Fukushima, das sich nun zum dritten Mal
       jährt, um den Katastrophenschutz in Deutschland umzubauen. Jetzt, acht
       Jahre bevor das letzte Atomkraftwerk stillgelegt werden soll und über 50
       Jahre nach Inbetriebnahme des ersten AKW der Bundesrepublik.
       
       Experten der Strahlenschutzkommission haben am Montag Vorschläge vorgelegt.
       Die Kommission empfiehlt, im Fall eines schweren Atomunfalls die direkten
       Anwohner innerhalb von sechs Stunden in einem Umkreis von fünf statt bisher
       zwei Kilometern in Sicherheit zu bringen.
       
       ## Evakuierung nach einem Tag
       
       Zudem soll die daran anschließende „Mittelzone“ von 10 auf 20 Kilometer
       vergrößert werden. Hier würde binnen 24-Stunden evakuiert werden.
       Organisationen wie die Internationalen Ärzte für die Verhütung des
       Atomkrieges warnen aber schon lange, dass eine starre Evakuierungszone
       nicht viel bringt, weil sich radioaktive Partikel je nach Windrichtung
       verteilen.
       
       Auch sollen Länderbehörden, die für den Katastrophenschutz zuständig sind,
       mehr Jodtabletten vorhalten. Diese sättigen die Schilddrüsen und
       verhindern, dass der Körper radioaktives Jod aufnimmt.
       
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wird die Ratschläge der
       Experten an die Länder-Innenminister weiterleiten. Zugleich will sie dafür
       kämpfen, dass in Europa die Notfallpläne vereinheitlicht werden, teilte das
       Ministerium mit. Einige Atomkraftwerke stehen in Nachbarländern nahe der
       deutschen Grenzen. Tschechien will seine Anlage in Temelín sogar ausbauen.
       
       Die Grünen fürchten jetzt, dass die Verbesserungen erst in einigen Jahren
       in die Praxis umgesetzt werden. „Geht es in dem bisherigen Schneckentempo
       weiter, ist der nukleare Katastrophenschutz erst funktionstüchtig, nachdem
       die letzten deutschen AKWs abgeschaltet sind“, sagte die atompolitische
       Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl.
       
       10 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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