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       # taz.de -- Umstrittene Privatisierung: Kreis-Hochzeit mit Dumping-Effekt
       
       > In den paarungswilligen Landkreisen Göttingen und Osterode sollen vorab
       > Musik- und Volkshochschulen privatisiert und zusammengeführt werden –
       > Gewerkschaft rechnet mit Lohndrückerei
       
   IMG Bild: Soll, wenns nach der Gewerkschaft Ver.di geht, künftig nicht schlechter bezahlt werden: Hip-Hop-Tanzkurs an einer Volkshochschule.
       
       GÖTTINGEN taz | Die Gewerkschaft befürchtet Verschlechterungen: Wenn Ende
       2016 die Landkreise Osterode und Göttingen in Südniedersachsen
       zusammengelegt werden, bedeutete das auch das Verschmelzen von kommunalen
       Strukturen. Den Anfang machen in dieser Hinsicht die Volkshochschulen und
       die Musikschulen der beiden Kreise.
       
       Sie sollen ausgegründet, also privatisiert, werden zu einer gemeinnützigen
       GmbH. Vorrangiges Ziel: Geld sparen. „Das könnte auf dem Rücken der
       Beschäftigten geschehen“, sagt Patrick von Brandt. Er ist bei der
       Gewerkschaft Ver.di in Göttingen für den Fachbereich Bildung zuständig.
       
       Zwar gelten bestehende Arbeitsverträge weiter und die Bezahlung erfolgt
       weiter entsprechend des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes (TVÖD),
       zumindest neue Beschäftigte werden aber wohl auf Grundlage eines
       Haustarifvertrags angestellt. Der betreffe auch solche unter den
       altgedienten Beschäftigten, die nur einen befristeten Vertrag haben und
       nach dessen Ende einen neuen Vertrag abschließen müssten. Von Brandt
       fürchtet, „dass dadurch die Arbeitsbedingungen leiden und am Ende weniger
       Lohn gezahlt wird“.
       
       Die Sorge gründet sich auf Aussagen der kommunalen Arbeitgeber: Die
       Zusammenlegung der Nachbarkreise wird von Tarifverhandlungen begleitet, in
       denen um die kommunalen Beschäftigten gerungen wird. Dabei habe der
       kommunale Arbeitgeberverband „explizit erklärt“, so von Brandt, „dass
       Tarifverträge angestrebt werden, die sich an Verträgen orientieren, die vom
       Niveau her deutlich unter dem bisherigen Tarifniveau liegen“.
       
       Auch der Vorsitzende der Linksfraktion im Göttinger Kreistag, Eckhard
       Fascher, sieht die Privatisierung skeptisch. Er sagt: „Bei einer solchen
       Ausgründung gibt es natürlich immer die Gefahr, dass sich die Bedingungen
       für die Beschäftigten verschlechtern oder dass sogar Stellen abgebaut
       werden.“
       
       Tatsächlich ist es ein erklärtes Ziel der Verwaltung, im Zuge der Fusion
       Stellen einzusparen. Marcel Riethig, SPD, ist erster Kreisrat in Göttingen
       und für die Erwachsenenbildung verantwortlich. „Wir brauchen nicht zweimal
       das komplette Verwaltungspersonal“, sagt er, „sondern künftig nur noch
       einen Teil der Stellen.“ Riethig liegt aber der Unterschied zwischen
       „einsparen“ und „abbauen“ am Herzen: So scheide beispielsweise der Leiter
       der Osteroder Kreisvolkshochschule ohnehin demnächst aus, aus
       Altersgründen.
       
       Über die Privatisierung der Göttinger Kreisvolkshochschule und der
       Kreismusikschule wird in dieser Woche im Göttinger Kreistag abgestimmt. Das
       Unterfangen wird wohl die Zustimmung der rot-grünen Mehrheitsgruppe finden.
       Die Beschäftigten protestierten deswegen in der vergangenen Woche bereits
       vor dem Kreishaus. An die Abgeordneten schrieben sie einen offenen Brief.
       
       Darin fordern sie, dass sie entweder weiter nach dem Tarifvertrag des
       öffentlichen Dienstes bezahlt werden – oder aber einen Haustarifvertrag
       bekommen, der dem des öffentlichen Dienstes entspricht und an diesen zudem
       dynamisch gebunden ist. Das heißt, dass Änderungen des TVÖD auch in die –
       dann privatisierte – Kreisvolkshochschule Südniedersachsen gGmbH
       durchschlagen würden.
       
       Die Chancen dafür stehen derzeit gar nicht schlecht. „Wir werden einen
       Kompromiss finden, mit dem auch Ver.di zufrieden ist“, sagt etwa Kreisrat
       Riethig. Er hat vorgeschlagen, einen Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft
       abzuschließen, wie er bereits im Jahr 2007 für die Volkshochschule der
       Stadt Göttingen vereinbart wurde. Der entspräche dann den Bedingungen des
       TVÖD. „Wenn wir diesen Tarifvertrag vorlegen“, sagt der Sozialdemokrat,
       „dann werden es die kürzesten Tarifverhandlungen, die wir in Niedersachsen
       je erlebt haben.“ Darin zumindest ist der Kreispolitiker sich mit dem
       Gewerkschafter einig.
       
       10 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jakob Epler
       
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