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       # taz.de -- Streit um die Öko-Aufsicht: Biokontrolleur geschasst
       
       > Hat der Fachverein Öko-Kontrolle Verstöße gegen Bioregeln nicht genügend
       > geahndet? Oder haben die staatlichen Behörden zu langsam reagiert?
       
   IMG Bild: Auch Biohühner können faul und müssen nicht die klügsten sein. Deshalb sollten die Halter und Kontrolleure für sie mitdenken
       
       BERLIN taz | Biokontrolleur Jens F. gelangte schon früher zu trauriger
       Berühmtheit: 2009 stellte der Spiegel den Chef des Fachvereins
       Öko-Kontrolle in aller Öffentlichkeit bloß, weil er „ungeniert“
       Gummistiefel mit der Aufschrift Bayer Crop Science auf einem Biohof
       getragen habe – dabei produziert der Bayer-Konzern Pestizide, die Ökobauern
       verboten sind.
       
       Im vergangenen Jahr geriet F.s Kontrollstelle wegen mangelhafter
       Inspektionen ins Visier der Behörden. Jetzt ist der Druck so groß geworden,
       dass der Fachverein ihn „von seinen Aufgaben als Geschäftsleiter entbunden“
       hat, wie Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD)
       mitteilte. In dem Bundesland hat die Kontrollstelle ihren Sitz.
       
       Wenn Bioprüfer Fehler machen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die
       Verbraucher tatsächlich teure Öko-Lebensmittel statt billiger
       konventioneller bekommen. Denn die 18 privaten Kontrollstellen in
       Deutschland müssen prüfen, ob etwa Biobauern sich an die Ökovorschriften
       halten.
       
       ## Debatte über Verstaatlichung der Kontrollen
       
       ## 
       
       Der Code des Fachvereins „DE-ÖKO-034“ steht auf vielen Bioprodukten, denn
       mit rund 1.700 Kunden ist er keine kleine Kontrollstelle. Der Fall ist auch
       politisch relevant, weil er die Debatte über eine Reform des
       Kontrollsystems befeuert. Backhaus hat sogar schon zur Diskussion gestellt,
       das System komplett zu verstaatlichen.
       
       Die Aufsichtsbehörden haben laut Backhaus nach einer Prüfung des Vereins am
       27. Februar auch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. F.
       persönlich sei für Mängel bei der Sanktionierung von Verstößen gegen die
       Bioregeln in Ökobetrieben verantwortlich. Zudem habe der Fachverein die
       Behörden unvollständig informiert.
       
       Details zu den Vorwürfen gegen den Fachverein nennen die Behörden wegen des
       laufenden Verfahrens nicht. Der Kontrollstelle wird aber offenbar unter
       anderem vorgehalten, bei der Überprüfung von Tierhaltungsvorschriften
       versagt zu haben. Denn Backhaus’ Ministerium erklärte, die Kontrollstelle
       habe nach Kritik der Aufsichtsbehörde „zum Beispiel ein Lasermessgerät“
       angeschafft, mit dem Ställe vermessen werden könnten. Vereinsmitarbeiter
       seien auch darin geschult worden, den im Ökolandbau vorgeschriebenen
       Auslauf für Tiere auszumessen.
       
       ## Legehennen brauchen Motivation, um ihren Auslauf zu nutzen
       
       Es hatte auch Vorwürfe gegeben, dass vom Fachverein kontrollierte
       Eierfarmen zu wenig Freiflächen nahe genug am Stall hätten. Je weiter der
       Auslauf entfernt ist, desto weniger Legehennen verlassen den Stall. Weder
       F. noch der Fachverein waren für eine Stellungnahme gegenüber der taz zu
       erreichen.
       
       Matthias Rackwitz von der Bürgerinitiative gegen die geplante Massenhaltung
       von Ökolegehennen im brandenburgischen Löpten, der den Fachverein seit
       Jahren beobachtet, hält F. nur für „ein Bauernopfer“, das nichts
       verbessere. „Backhaus will davon ablenken, dass offensichtlich seine
       staatliche Überwachung des Fachvereins nicht funktioniert hat.“ Ein
       Brancheninsider ergänzte: „Es war schon seit Jahren bekannt, dass der
       Fachverein seine Kontrollen zu Dumpingpreisen anbot. Bei solchen Tarifen
       muss man die Kontrolleure extrem schnell durch die Betriebe hetzen. Dann
       fallen weniger Verstöße auf.“ Backhaus’ Sprecher wich auf die Frage der taz
       aus, ob Mecklenburg-Vorpommern nicht schon früher gegen den Fachverein
       hätte vorgehen müssen.
       
       Auch jetzt noch handelt das Bundesland im Vergleich zu Sachsen zögerlich.
       Die sächsische Aufsichtsbehörde hat dem Fachverein bereits die Lizenz
       entzogen, Biobetriebe in dem Freistaat zu kontrollieren. Backhaus dagegen
       will erst einmal abwarten, ob die Kontrollstelle die kritisierten Mängel
       behebt.
       
       Gleichzeitig geht er politisch in die Offensive. Er habe die Reform der
       Ökokontrolle für die Tagesordnung der nächsten Agrarministerkonferenz von
       Bund und Ländern im April angemeldet, erklärte der Politiker. Dann soll es
       auch um seine Forderung gehen, den Kontrollstellen einen einheitlichen
       Gebührenkatalog vorzuschreiben.
       
       10 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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