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       # taz.de -- Kritik an Russland: Burdas freiwillige Unterwerfung
       
       > Auf Facebook kritisierte ein Angestellter des Burda-Verlags in Moskau die
       > antiukrainische Stimmung im Land. Deshalb verlor er wohl kurz darauf den
       > Job.
       
   IMG Bild: Die antiukrainische Stimmung beunruhigte Dmitri Schulgin: Pro-Janukowitsch-Demo in Moskau.
       
       MOSKAU taz | Dmitri Schulgin wusste nicht, wie ihm geschah, als ihn der
       Arbeitgeber mit einem Eintrag auf Facebook konfrontierte. Den hatte er erst
       kurz zuvor gepostet. Schulgin ist kein Revolutionär, kein Aufwiegler, eher
       ein stiller Typ. Er ist aber meinungsstark, Doktor der Philosophie und war
       bei Computer Bild im Moskauer Burda Verlag Redakteur. „Dass mein Post
       soviel Beachtung findet, war eine Überraschung“, sagt er. Zehn Leser seien
       für ihn sonst schon ein großer Erfolg.
       
       Schulgin war aufgebracht über die landesweite Hetze gegen die
       Oppositionellen des Maidan und die Ukraine. Es habe ihn erschüttert, dass
       seine Landsleute faschistische Losungen verträten, sagt er. „Wenn ich auf
       der Arbeit und in der Metro die Gespräche höre, habe ich den Eindruck, dass
       99,9 Prozent der Russen gleich ein Loblied auf Janukowitsch singen werden
       und dazu aufrufen, alle Ukrainer aufzuhängen, die sie pauschal Banderowzy
       (Faschisten) nennen“, postete er. Seine Landsleute seien krank wie die
       Deutschen in den 30er- und 40er- Jahren, schrieb der 44-Jährige. Von
       Millionen Russen sei es nur eine Handvoll, die sich für die „ukrainischen
       Brüder“ einsetzte.
       
       Schulgin fällt es schwer darüber zu sprechen, er schluckt, seine Stimme
       versagt. „Wenn mein Volk seine Seele an den Teufel verkauft, folge ich ihm
       nicht“, schrieb er auf Facebook, woraufhin ein Shitstorm losbrach. Im
       Profil hatte er Burda als Arbeitgeber angegeben. Das wurde ihm zum
       Verhängnis. Ein User wandte sich empört über so viel Antipatriotismus an
       den Verlag und der reagierte prompt.
       
       Er solle den Eintrag widerrufen oder zumindest erklären, sein Account sei
       geknackt worden, habe Burda vorgeschlagen. Wenn nicht, müsse er mit einer
       Extremismusanzeige beim Geheimdienst rechnen, ein Visum für den
       Schengenraum würde er auch nicht mehr erhalten. Man werde auch sichergehen,
       dass er als Journalist in Russland erledigt sei. Die Drohungen sprachen
       Burdas russische Mitarbeiter aus, die jedoch vorgaben, nur die Haltung der
       deutschen Vorgesetzten wiederzugeben. Was Schulgin jedoch am meisten
       beunruhigte, sind Gewaltandrohungen, die er im Anschluss erhalten habe und
       die auf das tragische Schicksal einiger russischer Journalisten verwiesen.
       
       ## Kein Arbeitszeugnis für Schulgin
       
       Burdas Moskau Personalchef Andreas Setzepfandt, der sich Russland schon
       seit seiner Schulzeit in der DDR besonders nahe fühlt, lehnte ein Interview
       mit der taz ab. Burdas Presssprecher mailte stattdessen die Stellungnahme
       des Verlages, der zu entnehmen war, dass Burda „keine Einschränkungen für
       das private Verhalten in sozialen Netzen aufgestellt hat“. Druck wollte der
       Verlag auf Schulgin auch nicht ausgeübt haben.
       
       Schulgin willigte in ein Ausscheiden auf eigenen Wunsch auch ein. Die
       Entlassungspapiere waren von den beiden deutschen Chefs unterzeichnet
       worden. Zudem bekam Schulgin kein Arbeitszeugnis, „was einem Berufsverbot
       gleichkommt“, sagt der Ex-Redakteur. Auch das sonst übliche Übergangsgeld
       nach fünf Jahren Betriebszugehörigkeit wurde ihm vorenthalten.
       
       Kritische Stimmen werfen Burda nun vor zweierlei Maß anzulegen. „Burdas
       Management führt sich in Russland auf, wie es sich in Deutschland niemals
       verhalten würde“, so das Portal Jeschedewnij Journal. In der Tat, in
       Deutschland würde Burda die „Wachsamkeit vor dem alltäglichen Faschismus“ –
       die Zivilcourage eines Bürgers wie Schulgins – mit Lob und Preis versehen.
       An Hubert Burda wandte sich auch der Ex-Vorsitzende des russischen
       Journalistenverbandes, Igor Jakowenko, mit der Frage, ob er glaube, Angela
       Merkel sei auch der Auffassung, dass die Unterstützung des Maidan
       Extremismusverdacht rechtfertige und die Ukrainer Faschisten seien.
       
       7 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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