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       # taz.de -- Internationaler Frauentag: Gegen das Patriarchat
       
       > Am 8. März 1994 gingen eine Million Frauen auf die Straße – sie wollten
       > das gesamte Land lahmlegen. Was ist davon geblieben?
       
   IMG Bild: „Verdienstorden“ der niedersächischen Grünen am Internationalen Frauentag 2001.
       
       Heute wird nicht gekocht, nicht gelächelt, nicht geputzt und nicht
       gevögelt. Heute streiken wir. Von Rostock bis Tübingen, von Sonnenaufgang
       bis Sonnenuntergang. So hatten das Frauen für den 8. März 1994 angekündigt.
       Gewerkschafts- und Kirchenfrauen waren dabei, autonome Gruppen und
       Prostituiertenverbände. Angeführt vom Unabhängigen Frauenverband (UFV), der
       die Idee lieferte.
       
       Aus dem Internationalen Frauentag sollte der deutsche „FrauenStreikTag
       1994“ werden. Es ging um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, um das
       Abtreibungsverbot und Gewalt gegen Frauen, um die Vereinbarkeit von Job und
       Familie.
       
       Mittlerweile verbietet ein Gesetz Vergewaltigung in der Ehe, und
       Schwangerschaftsabbrüche sind unter bestimmten Bedingungen möglich. Es
       werden Kitaplätze gebaut, und Väter nehmen Elternzeit. Darüber hinaus
       debattiert das Land über Quoten, Führungsjobs, Sexismus und Jungen in
       „Mädchenberufen“.
       
       Und trotzdem ist die Idee, es wieder richtig krachen zu lassen am 8. März,
       aufgeflammt. Morgen soll es laut werden auf Berlins Straßen, bei einer Demo
       zum „Frauenkampftag“, es soll eine Art 1994-Revival werden. Doch welchen
       Sinn macht das? Was hat der FrauenStreikTag gebracht?
       
       ## 90er-Revival
       
       Die Idee, das Land lahmzulegen, hat durchaus Charme, der 8. März 1994 hätte
       ganz großes Kino werden können. So wie in der Schweiz: Am 14. Juni 1991
       legten Schweizerinnen nahezu das gesamte gesellschaftliche Leben lahm. Oder
       so wie am 24. Oktober 1975 in Island. Weil 90 Prozent der Frauen an dem Tag
       nicht das taten, was sie sonst so machen, brachen auf der Insel die
       Telefonverbindungen zusammen und erschienen Zeitungen nicht, es mussten
       Schulen und Fabriken geschlossen werden. Und 1985, nach einem weiteren
       Streik in Island, zog eine Frauenpartei ins dortige Parlament ein.
       
       Und in Deutschland? Eine Million Frauen gingen am 8. März 1994 auf die
       Straße. Sie standen in Fußgängerzonen, ließen Luftballons steigen,
       klapperten mit Topfdeckeln. Erlangen wurde in Sielangen umbenannt.
       Regensburgerinnen erklommen die Zugspitze, entrollten ein Plakat, darauf
       stand: „Das ist der Gipfel“.
       
       Der Stillstand des Landes war komplett ausgeblieben. Mancherorts fiel nicht
       einmal auf, dass die Frauen im Ausstand waren. Gemüse und Brötchen wurden
       in den gleichen Mengen wie sonst verkauft, Briefe ausgetragen, dem Chef
       wurde Kaffee gebracht und für den Gatten eingekauft. Der Streik für
       Schlechtwettergeld trieb seinerzeit weitaus mehr Leute auf die Straße.
       
       ## Ende der dritten Bewegung
       
       „Diejenigen, die (noch) Arbeit haben, wollen sie behalten, um jeden Preis.
       Krise und Rezession verbreiten Angst und Abwehrhaltung“, begründete
       Christiane Schindler vom UFV damals in der Tageszeitung Neues Deutschland
       die geringe Wirkung.
       
       Der FrauenStreikTag gilt als das markierte Ende der dritten Frauenbewegung,
       die damals ermattet war und wiederbelebt werden sollte. Und er sollte die
       Ost- und Westfeministinnen nach endlosen Grabenkämpfen endlich einigen. Die
       Frauen stritten, ob Feministinnen kurze Röcke tragen und Kinder haben
       dürfen, ob es Arzt oder Ärztin heißt, wie der feministische Literaturkanon
       auszusehen hat und ob wahre Feministinnen nicht doch Lesben sind, weil die
       keinen Sex mit dem Patriarchat haben.
       
       Letztlich kamen sich Ost- und Westfrauen kaum näher. Wer sich weiter
       engagieren wollte, stand zusätzlich vor der Entscheidung, das in losen
       Netzwerken zu tun oder in einer Partei. Ein Jahr nach dem Streiktag hatten
       besonders westdeutsche Akademikerinnen Die Feministische Partei gegründet.
       „Die Frauen“ gibt es heute noch. Ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl 2013:
       null Prozent.
       
       7 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
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