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       # taz.de -- Die Wahrheit: Scharfer Pizzabote mit Abstandhalter
       
       > Ich bin das erste Mal in meinem Leben auf einen Junggesellinnenabschied
       > eingeladen, und keine außer mir ist für den Stripper.
       
       Meine Verkleidung als 60er-Jahre-Nutte kam am Montag nicht ganz so gut an,
       wie ich dachte – aus irgendwelchen Gründen sehe ich mit blonder Perücke
       immer nach Ohnesorgtheater aus. Das nächste Mal gehe ich doch als hinterer
       Teil (Kruppe) eines Pferds.
       
       Obwohl ich mir seit Jahren darüber Gedanken mache, ob ein chronischer
       Bandscheibenvorfall einen eher für den vorderen Teil eines zweiteiligen
       Pferdekostüms (bis Widerrist) prädestiniert oder ob genau das Gegenteil der
       Fall ist. Vielleicht ist es ja auch enorm lendenwirbelentspannend, den
       ganzen Tag den Oberkörper an jemanden dranzuhängen.
       
       Da vermutlich allerdings eh niemand außer ein paar
       „Human-Horse“-Fetischisten Lust haben wird, sich mit mir ein amtliches
       Fury-Kostüm zu teilen, wird es wohl auf ein einteiliges Gewand
       herauslaufen. Ich habe mir bereits ein solches ausgeguckt: Die eigenen
       Beine stehen in Pferdebeinstulpen auf dem Boden, um die Mitte herum trägt
       man den Stoff-Pferdekörper, aus dem Sattel wächst man selbst als Reiter
       heraus, an den Hüften hängen angewinkelte Fake-Stoffbeine, und man zügelt
       mit den Armen den nach vorne wegstehenden Pferdehals samt Kopf.
       
       Man reitet sich also selbst, was auch immer das in der Psychoanalyse
       bedeuten mag. Ich find’s toll. So nah kommen einem Stoffpuppe-Mensch-Cyborg
       sonst nur die Puppenspieler der Muppets, etwa von Rowlf – der ist halb
       Hund, halb Pianist. Und natürlich von Waldi, dem Möter (halb Mensch, halb
       Köter) aus „Spaceballs“.
       
       ## Vollends im Junggesellinnenmodus
       
       Ach ja, verkleiden. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, über die
       Diskrepanz zwischen sexy Polizistinnenkostümen und der Wirklichkeit
       nachzudenken. Oder darüber, wie lang der Weg noch ist, bis bei Karstadt
       „amerikanische Ureinwohnerkostüme“ auf den Etiketten steht.
       
       Apropos sexy Polizistenkostüme: Ich bin das erste Mal in meinem Leben auf
       einen Junggesellinnenabschied eingeladen, und keine außer mir ist für den
       Stripper. Dabei fände ich es gerade in vollem Genderbewusstsein notwendig,
       mal herauszubekommen, ob sich das Machtgefüge in einem Raum voller
       betrunkener Frauen und einem bezahlten Mann in eine ganz ungewöhnliche
       Richtung ändert, oder ob die Stimmung ähnlich entlarvend und bedrückend
       wird wie in Uli Seidls erstem Teil der „Paradies“-Trilogie, in dem ein paar
       Frauen in Kenia einen jungen Mann für das Nackttanzen bezahlen, dabei aber
       nur feststellen, wie unglaublich armselig sie auf ihn wirken.
       
       Wenn ich die anderen Hennen der Henparty doch noch für mein Experiment
       begeistern kann, würde ich mich wahrscheinlich für den „extrascharfen
       Pizzaboten“ entscheiden, der die „heiße Pizza“ liefert, um herauszufinden,
       welches Utensil er in der Pizzaschachtel verbirgt. Denn was dem Polizist
       sein Knüppel, ist ja vielleicht dem Pizzaboten sein Pizzaslicer? Sein
       Nudelholz? Sein Abstandhalter? (Das Plastikding, das aussieht wie ein
       Lego-Tisch.) Huch, bin schon vollends im Junggesellinnenmodus. Gehe gleich
       die Sprühsahne holen.
       
       6 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
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