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       # taz.de -- Die Wahrheit: Emotional überforderter Dobermann
       
       > Tagebuch einer Tier-Apokalyptikerin: Auch im Urlaub auf Mallorca lässt
       > die alarmierend ansteigende Gewalt VON Tieren keine Erholung zu.
       
   IMG Bild: Soll man ein Bühnenstück das „Die Neger“ heißt, in „Die Weißen“ umbenennen dürfen?
       
       John Jeremiah Sullivans Essayband „Pulphead“ ist nicht nur großartig, er
       prophezeit auch eine düstere Zukunft. Im Urlaub liest man in einem Text
       unter dem Titel „Violence of the Lambs“ über die seit einiger Zeit
       alarmierend ansteigende Gewalt VON Tieren. Bei Lektüreende stellt sich die
       beunruhigende Erkenntnis ein, bald werde Schluss sein mit dem faulen
       Frieden zwischen den Arten. Elefanten, die ganze Dörfer und ihre Einwohner
       plattmachen, auf Menschen und Hühner einhackende Vögel, prügelnde, mit
       Dorfbewohnern um Wasser kämpfende Affenhorden und ähnliche
       Unannehmlichkeiten sind die Prophezeiung der Zukunft.
       
       Mit mulmigem Gefühl greift man zum Mallorca Magazin, das, weniger
       dramatisch, zum Umgang mit Bettwanzen und schnarchenden Hauskatzen berät.
       Unter der Überschrift „Starker Hund zeigt Schwäche“ sucht Leser Erich A.
       aus Arenal Rat, weil seine Dobermannhündin auf Spaziergängen plötzlich
       zusammenbricht und für kurze Zeit bewegungsunfähig ist.
       
       Trost spendet eine Tierärztin mit dem Hinweis auf einen
       Schlafkrankheit-Gendefekt, der besonders bei Dobermännern vorkomme, und „im
       Zusammenhang mit emotionalen Ereignissen wie Spazierengehen, Spielen oder
       Fressen“ auftrete. Jedem, der sich nun unvermittelt einem wütend auf ihn
       zurasenden Köter gegenübersieht, empfehle ich hiermit, zu beten, dieser sei
       kein mordlüsternes Exemplar aus Sullivans Zukunftsszenario, sondern nur ein
       emotional überforderter Dobermann, den ein narkoleptischer Anfall noch
       rechtzeitig fällen möge.
       
       Ich selbst mache Bekanntschaft mit tierischer Aggression, als sich nachts
       eine Ameisenautobahn über mein Bett windet. Der Naturforscher Rafinesque,
       aus dessen Vortrag „Die Geschichte der Ameisen“ Sullivan zitiert, wusste
       bereits im 19. Jahrhundert, dass diese über „Anwälte, Ärzte, Generäle,
       Soldaten“ verfügen und „große Schlachten“ schlagen. Stimmt, und unterstützt
       werden sie dabei von nachtaktiven Hähnen, die vor Sonnenaufgang loskrähen,
       und von an Ketten zerrenden, dauerbellenden Hunden ohne Gendefekt, die
       vermutlich von blutiger Rache am Menschen träumen. Die Ameisen behalten –
       wegen ihrer schlauen Anwälte! – natürlich die Oberhand, denn welcher Idiot
       vergiftet schon freiwillig sein Lager mit Insektenspray. Morgens um fünf
       ziehen sie ab, bis zur nächsten Attacke. Die Zukunft hat begonnen.
       
       Wie aber sind die verwirrenden Signale zu deuten, die mir die Tierwelt
       anderntags sendet? Das Ziegenbaby, das mich, verheddert im
       Maschendrahtzaun, mit wackelndem Schwänzlein anblökt, auf dass ich es rette
       und mit seiner Mutter vereine, welche dann völlig gleichgültig auf die
       Familienzusammenführung reagiert? Gibt es Autismus bei Ziegen? Gendefekte?
       
       Noch einmal konsultiere ich das informative Mallorca Magazin. Es schreibt,
       auf Gran Canaria werde „Karneval der Hunde“ gefeiert, man wolle das jetzt
       unbedingt auch einführen. Mein Rat: Hundekarneval grundsätzlich nur mit
       Dobermännern! Mit etwas Glück verpennen sie ihn.
       
       5 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Frankenberg
       
       ## TAGS
       
   DIR Tierwelt
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