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       # taz.de -- Deutsche Rüstungspolitik: Die Industrie haftet nie
       
       > Wenn Ursula von der Leyen die Rüstungsbeschaffung in den Griff bekommen
       > will, müssen die Hersteller auch Risiken übernehmen.
       
   IMG Bild: Deutsche Rüstung: gerne zu teuer, gerne zu spät – hier der Radpanzer „Boxer“.
       
       BERLIN taz | Der Schützenpanzer „Puma“ ist ein Beispiel: Der mit 1.088 PS
       „stärkste Schützenpanzer der Welt“ (AutoBild) braucht nun noch ein
       Weilchen, bis er den 40 Jahre alten „Marder“ ersetzt. Die Nachtsichtkamera
       und damit die Sicht des Panzerfahrers ist offenbar so schlecht, dass man
       mit dem „Puma“ nachts nicht schnell genug rückwärts fahren kann.
       
       Eigentlich sollte der Puma 2014 in den Dienst gestellt werden, und zwar für
       6,5 Millionen Euro pro Stück. So lautete der Preis beim Abschluss des
       Beschaffungsvertrags 2004 mit Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. Doch
       das Problem mit der Optik war bei weitem nicht das einzige. Der Preis für
       den Puma steht jetzt bei 9,9 Millionen Euro pro Stück, erklärte jüngst das
       Verteidigungsministerium auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Alexander Neu.
       
       Auch wenn die Hersteller an Verspätung und anderen Unzulänglichkeiten
       Schuld sind, müssen sie dafür nicht haften: „Vertragsstrafen sind im
       Beschaffungsvertrag nicht vereinbart, da sie (...) aufgrund der
       Monopolstellung des Auftragnehmers nicht durchsetzbar waren“, schreibt das
       Ministerium zum „Puma“.
       
       ## Austausch von Spitzenpersonal reicht nicht
       
       Damit liefert das Haus von Ursula von der Leyen (CDU) selbst einen Hinweis,
       dass es mit dem Austausch von Spitzenpersonal nicht getan ist, wenn die
       Ministerin das Elend der Rüstungsbeschaffung in den Griff bekommen will.
       Vergangene Woche setzte von der Leyen unter anderem den Staatssekretär
       Stéphane Beemelmans vor die Tür. Er hatte ihr nicht erklären können, warum
       Hubschrauber, Fregatten oder Schützenpanzer für die Bundeswehr immer viel
       teurer werden und viel später kommen als geplant.
       
       Der Pumavertrag dürfte den Qualitätsmaßstäben des Bundesrechnungshofs kaum
       genügen. „Wichtig: Garantie- und Haftungsverpflichtungen der Auftragnehmer
       im Vertrag vorsehen“, lautet eine von dessen Regeln.
       
       „Das Kernproblem sind immer die Verträge“, sagt Katja Keul, die 2013 für
       die Grünen im Untersuchungsausschuss zur „Euro Hawk“-Drohne saß. Die
       Auswechslung des Personals sei insofern „nicht ganz unerheblich –
       schließlich waren die Verhandler bislang völlig industriehörig“, erklärt
       die Juristin Keul. Die Verträge zum vorläufig gescheiterten „Euro Hawk“
       etwa habe die Rechtsabteilung des Ministeriums „nie in den Händen
       gehalten“. Offensichtlich habe staatlicherseits niemand je ein Interesse
       daran gehabt, der Industrie Gewährleistungspflichten aufzulegen. Jede
       Kostensteigerung wurde dem Steuerzahler weitergereicht.
       
       ## Problem: Internationale Absprachen
       
       Dieses Problem vervielfacht sich sofort, da auch internationale Partner und
       deren Industrien im Boot sind. Hilmar Linnenkamp und Christian Mölling von
       der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schrieben diese Woche im
       Handelsblatt, dass die größten Projekte eines gemeinsam haben: „Sie fußen
       auf internationalen Absprachen.“
       
       Wer Stückzahlen reduzieren oder Korrekturen vornehmen wolle, müsse sich
       daher auf die Industriepolitik der Partner einlassen. Das gelte umso mehr,
       wenn man wie von der Leyen noch stärker auf europäische Kooperation setzen
       wolle. Die beiden Think Tanker schlagen vor: In das zu Kontrollzwecken
       geschaffene Rüstungsboard müssten Experten aus anderen Ministerien, aber
       auch „von außen“.
       
       Externen Sachverstand, sprich Unternehmensberater hereinzuholen, hat die
       Ministerin nun schon angekündigt. Es macht die Sache aber nicht einfacher,
       dass bei Verträgen mit anderen Nationen bislang gilt: Wer aussteigt oder
       die Stückzahl reduziert, muss dafür sorgen, dass die Kosten der Partner
       nicht wachsen.
       
       „De facto“, sagt der Rüstungsexperte Otfried Nassauer, „läuft das darauf
       hinaus, dass ein Ausstieg aus Großprojekten teurer ist, als drinzubleiben.“
       Dies sei bereits vor 20 Jahren ein Problem gewesen: damals versuchte der
       Verteidigungsminister Volker Rühe, den Preis des Eurofighters unter 130
       Millionen D-Mark das Stück zu drücken.
       
       Der grüne Haushälter Tobias Lindner schätzt die in den laufenden
       Großprojekten schlummernden Risiken auf drei Milliarden Euro. Das
       Ministerium möchte hierzu – bei aller neuer Liebe zur Transparenz – keine
       Zahl liefern.
       
       26 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Winkelmann
       
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