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       # taz.de -- Im Tutu gegen Brustkrebs: Kranke Werbung
       
       > Bob Carey machte Fotos im Tutu, um seine krebskranke Frau aufzuheitern.
       > Die Telekom findet’s prima und strickt eine Kampagne daraus.
       
   IMG Bild: Der Mann im rosa Tutu – ausnahmsweise mal in schwarz und angezogen
       
       Der Marketingmann der Deutschen Telekom steht auf einem kleinen Podest. Er
       schwitzt, sein Kopf ist rot und seine Stimme vibriert vor Aufregung: „Es
       ist eine Mischung aus Kitsch und Punk, ein Masterpiece der Popart.“ 300
       Menschen sind an diesem Abend in die kleine Galerie nach Berlin-Mitte
       gekommen, mit solch großem Interesse habe er nicht gerechnet, sagt der
       Mann. Man würde ihm gern glauben, hätten seine Mitarbeiter nicht schon
       Pressebögen mit derselben Zahl verteilt.
       
       Alle im Raum warten auf den Künstler, den Star des Abends: Bob Carey.
       Nackt, nur mit einem pinkfarbenen Tutu bekleidet, wölbt sich seine haarige
       Wampe auf jedem der übergroßen Fotos an den Galeriewänden. An alltäglichen
       und absonderlichen Orten hat er sich in diesem Kostüm fotografiert, seinen
       Körper auf dem Asphalt des Times Square oder im Stamm eines Mammutbaums in
       Pose geworfen.
       
       Doch auf keinem seiner Bilder wirkt er so fehl am Platz wie hier, am Rand
       der Menge, in der hintersten Reihe des Publikums. Vielleicht warten doch
       nicht alle auf ihn, vielleicht haben ihn die Gäste auch nicht erkannt, ohne
       Tutu, in Hemd und schwarzer Hose.
       
       Eigentlich wollte Carey nie Kunst machen, sondern nur ein guter Ehemann
       sein. Um seiner an Brustkrebs erkrankten Frau eine Freude zu machen, begann
       der Fotograf, Selbstporträts im Tutu zu sammeln. Das war vor zehn Jahren.
       Dann entdeckte ihn die Deutsche Telekom und ergriff die Chance, endlich
       etwas richtig Gutes zu tun: soziales Engagement, Mäzenatentum im Zeichen
       des Krebses. Das Tutu passte perfekt zum Telekom-Magenta, welch Fortune.
       Also wurde aus Careys Geschichte die neue Werbekampagne.
       
       An diesem Abend ist das Magenta auffallend dezent verteilt: der Schriftzug
       an der Wand, mit dem der Künstler Freude verspricht, die Tulpen an der Bar
       oder die App, mit der die Mitarbeiter Gäste fotografieren, während ein
       digitaler Carey im Tutu post. Die geladenen Pressefotografen drängen sich
       nun um die Bilder an der Wand und kämpfen um die beste Position. Eine
       ehemalige „Tatort“-Kommissarin, eine alternde Schauspielerin und einige
       jüngere Moderatoren haben sich davor aufgestellt. Immer wieder sollen sie
       auf den Mann im Tutu zeigen und wirklich glücklich aussehen.
       
       Der Rest genügt sich selbst und schlürft Jahrgangsprosecco. „Gehst du
       nachher noch in diese andere Galerie? Da stellt ein ganz toller Künstler
       aus“, raunt es aus gelangweilten Gesichtern. Aber Krebs sei schon eine
       wichtige Sache, da ist man sich einig. Und wenn die Männer mit Hornbrille
       und Einstecktuch später den Bildband zur Ausstellung kaufen, werden sie
       sich gut fühlen. Die nette Blondine wird sie darauf hinweisen, dass der
       Erlös in Careys Stiftung für krebskranke Frauen geht – und nicht an die
       Telekom.
       
       24 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lan-Na Grosse
       
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